Manchmal braucht es kein diplomatisches Feingefühl, sondern Klartext: Das neue Zollabkommen zwischen der EU und den USA ist kein Triumph europäischer Verhandlungskunst. Es ist ein Akt der Notwehr, eine politische Kapitulation, die uns als Erfolg verkauft wird. Und niemand sollte sich darüber täuschen lassen, dass Ursula von der Leyen hier einen „guten Deal“ geschlossen habe. Sie hat das gemacht, was in Brüssel leider viel zu oft geschieht: Zeit gekauft – auf Kosten von Einfluss, Glaubwürdigkeit und strategischer Souveränität.
15 % Zoll auf den Großteil europäischer Exporte? 750 Milliarden Dollar an zugesagten Energieimporten aus den USA? 600 Milliarden Dollar an Investitionen, die wir angeblich dort tätigen wollen? Das ist kein Deal, das ist ein Schutzgeld, das wir zahlen, um nicht mit 30 % Zöllen wirtschaftlich erschlagen zu werden. Donald Trump hat es ganz offen gesagt: Er hat bekommen, was er wollte. Und wir? Wir applaudieren höflich – und nennen es „Stabilität“.
Ich frage mich, was für eine Stabilität das eigentlich sein soll. Eine, in der Europa zum Juniorpartner einer ökonomischen Drohkulisse degradiert wird? Eine, in der wir unsere Energie- und Rüstungsabhängigkeit zementieren, weil uns der Mut fehlt, hier in Europa zu investieren, selbst zu handeln, selbst zu denken? Das ist keine Stabilität. Das ist Erpressbarkeit mit System.
Man kann Frau von der Leyen zugutehalten, dass sie einen Handelskrieg verhindert hat. Ja – aber um welchen Preis? Dass sie nicht weiter wusste, ist nachvollziehbar. Dass sie das Ergebnis als Erfolg verkauft, ist eine Beleidigung der europäischen Intelligenz. Es ist, als würde man ein Leck in einem Schiff mit Tesafilm abkleben und sagen: „Das Wasser kommt wenigstens langsamer rein.“
Noch tragischer aber ist die politische Symbolik: Europa duckt sich. Schon wieder. Vor Trump. Vor einem Präsidenten, der offen mit Handelskrieg droht, der Europa nicht als Partner, sondern als Gegner sieht. Und was tut Europa? Es verhandelt, es fleht, es zahlt. Diese Unterwürfigkeit ist ein Offenbarungseid.
Frankreichs Europaminister Benjamin Haddad hat recht, wenn er von einem „unausgewogenen“ Abkommen spricht. Doch seine Mahnung bleibt ungehört. Wo ist der Aufschrei in Berlin, in Rom, in Madrid? Warum gibt es keine rote Linie, keine Vision, kein europäisches Gegengewicht zu dieser aggressiven Wirtschaftspolitik aus Washington?
Wir brauchen kein „Manhattan-Projekt“ für die EU. Wir müssen endlich politisch erwachsen werden. Wer sich immer wieder auf Deals einlässt, die ihm fundamental schaden, nur um das nächste Desaster zu vermeiden, hat keine Strategie, sondern Angst. Und Angst war noch nie ein guter Ratgeber in der Weltpolitik.
Was bleibt? Die Illusion von Stabilität, erkauft durch das Versprechen, sich nicht zu wehren. Und eine Kommissionspräsidentin, die ein „großes Abkommen“ verkündet – das in Wahrheit nichts anderes ist als die beste aller schlechten Lösungen.
Ein Kommentar von Andreas Brucker
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