Tag & Nacht




Staat und Bürger haben kein Geld mehr – aber die Superreichen bleiben unangetastet

Es ist eine Farce. Während Schulen verfallen, Kliniken überlastet sind und der Staat mit jedem neuen Haushaltsloch seine Bürger um „Verständnis“ bittet, sitzt eine kleine Schicht von Ultrareichen auf Milliarden – fast unberührt von der Steuerlast, die den Rest der Gesellschaft immer tiefer drückt. Und niemand rührt sie an.

Gabriel Zucman hat es vorgerechnet: Milliardäre in Frankreich zahlen im Schnitt weniger als 0,5 % Steuern auf ihr Vermögen. Ein Satz, der nicht zu fassen ist – und doch wahr. Wer also glaubt, wir lebten in einem gerechten Steuerstaat, wer meint, „Leistung müsse sich lohnen“, der sollte sich fragen: Wessen Leistung eigentlich?

Denn während die Superreichen ihre Holdings durch Steuerschlupflöcher schleusen und ihre Yachten in Malta registrieren, diskutiert die Politik darüber, ob es zumutbar ist, das Kindergeld zu kürzen oder das Rentenalter anzuheben. Millionen Franzosen zahlen jeden Monat Steuern auf jeden verdienten Euro. Und trotzdem heißt es: „Der Staat hat kein Geld.“

Nein – der Staat will das Geld nicht holen. Zumindest nicht dort, wo es liegt.

Die vorgeschlagene Mindeststeuer von Zucman – 2 % auf Nettovermögen über 100 Millionen Euro – wäre ein minimaler Schritt. Kein Umsturz, keine Revolution, kein Enteignungsprogramm. Nur ein Signal: Auch die Reichsten müssen sich beteiligen. Doch selbst dieser symbolische Schritt wurde vom Senat abgeschmettert, von Juristen mit der üblichen Formel „verfassungsrechtlich bedenklich“ beiseitegewischt, von Wirtschaftsvertretern als „gefährlich“ gebrandmarkt.

Gefährlich – ja, für wen? Für jene, die nie mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren, nie eine staatliche Schule betreten und nie eine Steuerprüfung fürchten müssen?

Wir leben in einem System, das den Reichtum schützt – nicht den Staat, nicht den Bürger, nicht das Gemeinwohl. Die offizielle Linie lautet: Wir dürfen die Reichen nicht vertreiben. Die inoffizielle lautet: Wir trauen uns nicht, sie auch nur anzufassen.

Frankreich, Europa, der Westen – sie alle drohen in eine fiskalische Schieflage zu geraten. Und doch bleibt das größte Vermögen ungenutzt, unangetastet, unbesteuert. Nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Feigheit.

Und was machen wir? Wir streichen Lehrerstellen, erhöhen Gebühren, bauen Sozialwohnungen ab. Wir fordern „Verantwortung“ von unten – und dulden Steuervermeidung von oben.

Zucmans Steuer ist kein Wunderheilmittel. Aber sie ist ein Test: Ob wir bereit sind, uns dem Machtblock der Vermögenden entgegenzustellen. Oder ob wir weiter zusehen, wie sich die Gesellschaft spaltet – in jene, die zahlen, und jene, die zählen.

Ein Kommentar von P. Tiko

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