Fake News sind die größte Seuche der Gegenwart. Nicht anzeigepflichtig, nicht impfbar, hoch ansteckend. Sie kommen ohne Fieber, aber mit erhobenem Zeigefinger, ohne Laborbefund, dafür mit dramatischer Musik im Hintergrund und einem schlecht geschnittenen Video, das „endlich die Wahrheit“ enthüllt. Die Wahrheit natürlich. Welche sonst.
Während echte Viren wenigstens den Anstand besitzen, sich biologischen Regeln zu unterwerfen, brauchen Fake News nur ein Smartphone, ein wütendes Herz und eine Internetverbindung. Zack – schon infiziert. Inkubationszeit: drei Sekunden. Symptome: Empörung, Misstrauen, das unerschütterliche Gefühl, schlauer zu sein als alle anderen.
Besonders perfide wird es, wenn diese digitale Seuche auf reale Krisen trifft. Auf Bauern, die um ihre Existenz kämpfen. Auf Höfe, die seit Generationen bestehen und nun mittels eines Verwaltungsschreibens ausgelöscht werden. In diese ohnehin offene Wunde tropfen Fake News wie Benzin ins Feuer. Der Staat mordet Kühe aus Lust am Töten, Impfstoffe seien Gift, alles sei geplant, alles gesteuert, alles verraten. Beweise? Braucht man nicht. Gefühl reicht. Gefühl ist heute die härteste Währung.
Fake News sind bequem. Sie erklären die Welt in fünf Sekunden, liefern klare Schuldige und ersparen das lästige Nachdenken. Komplexität wird weggewischt wie Dreck von der Windschutzscheibe. Wissenschaft? Zu langsam. Journalismus? Gesteuert. Fakten? Verdächtig. Ein verschwommenes Video mit Großbuchstaben im Titel dagegen – das überzeugt.
Und so marschiert man los, voller Zorn, mit der Gewissheit, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Dass man dabei vielleicht genau jenen schadet, die man zu verteidigen glaubt – geschenkt. Hauptsache, die Wut sitzt. Hauptsache, man fühlt sich gehört, auch wenn einem in Wahrheit nur ein Algorithmus zunickt.
Das Bittere daran: Fake News brauchen keine bösen Absichten. Dummheit reicht. Naivität auch. Ein bisschen Misstrauen hier, ein bisschen verletzter Stolz dort – fertig ist der perfekte Nährboden. Und je lauter die Krise, desto besser gedeiht das Ganze. Eine Pandemie für die Vernunft, mitten unter uns.
Fake News töten keine Kühe, sie töten Vertrauen. In Institutionen, in Nachbarn, in gemeinsame Wirklichkeit. Und ohne diese gemeinsame Wirklichkeit bleibt nur noch Geschrei. Wer das für Widerstand hält, irrt. Es ist Selbstzerstörung mit WLAN.
Die echte Tragödie? Gegen diese Seuche hilft kein Lockdown. Nur Denken. Und das ist offenbar das knappste Gut unserer Zeit.
Ein Kommentar von C. Hatty
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