Frankreich brennt.
Nicht nur im wörtlichen Sinne, wenn im Sommer wieder Flammen über die Pinienwälder der Gironde lecken, Bauern ihre Ziegen vor dem Feuertod retten und Touristen auf der Autobahn bei 45 Grad feststecken.
Sondern auch im übertragenen Sinn.
Denn dieses stolze, oft melancholische Land steht an einem Kipppunkt – zwischen Resignation und Resilienz, zwischen der bitteren Realität des Klimawandels und dem unerschütterlichen Glauben an seine Grandeur.
Man spürt es in Paris, wenn Radfahrer bei 38 Grad mit FFP2-Maske im Smog schwitzen und die Stadtregierung gleichzeitig neue Baumkorridore pflanzen lässt.
Man spürt es auf dem Land, wo Winzer ihre Trauben nachts ernten, weil sie tagsüber verbrennen würden – und gleichzeitig alte Rebsorten wiederentdecken, die seit Jahrhunderten an Hitze besser angepasst sind.
Es ist, als wäre Frankreich hin- und hergerissen zwischen Endzeitstimmung und stillem Aufbruch.
Doch manchmal frage ich mich: Reicht „Resilienz“ wirklich aus, wenn unser Planet gerade seine Existenzgrundlage verliert?
Oder ist Resilienz nur ein nobles Wort für Passivität – weil es bequemer klingt, als sich einzugestehen, dass unsere Lebensweise längst bankrott ist? In Frankreich begegnet man beiden Haltungen.
Jenen, die sagen „C’est foutu“ – es ist alles verloren. Und jenen, die im Garten Solarpanels aufstellen, ihr Wasser sammeln, den Asphalt aufreißen, um Platz für Bäume zu schaffen.
Vielleicht liegt genau hier der Kern der französischen Seele: Ein fatalistischer Blick auf die Welt, gepaart mit der stoischen Bereitschaft, es trotzdem zu versuchen.
Doch reicht das?
Wenn ich morgens lese, dass neue Hitzerekorde in Lyon, Marseille oder Tours gebrochen wurden, wenn Menschen in ihren kleinen, heißen Appartements kollabieren, während Klimaanlagen noch immer als Luxus gelten – dann frage ich mich, ob diese Gesellschaft jemals ihren Stolz wird herunterschlucken und sagen kann:
„Ja, wir müssen alles ändern. Nicht ein bisschen, sondern radikal.“
Denn das wäre kein Verlust der Grandeur. Das wäre ihr größter Triumph. Resilienz ist schön. Aber Widerstand wäre besser.
Quo vadis, Frankreich?
Die Antwort liegt nicht in den schönen Klimazielen auf dem Papier, sondern in den schmutzigen Händen derer, die jetzt anfangen, ihre und unsere Welt neu zu bauen.
Autor: C.H.
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