Tag & Nacht




Ich schreibe diese Zeilen mit einem Kloß im Hals.

Nicht aus Wut, nicht aus Verzweiflung – sondern aus Scham.

Denn was wir gerade erleben, ist keine Reformpause. Es ist ein Stillstand auf Kosten derer, die noch keine Stimme haben. Und ich kann nicht länger so tun, als wäre das in Ordnung.

Deshalb will ich heute eines tun, das in der Politik viel zu selten geschieht: Ich entschuldige mich.

Ich entschuldige mich bei den Jungen, bei meinen Kindern, bei den Kindern meiner Nachbarn, bei all jenen, die in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren mit den Konsequenzen leben müssen, die wir heute vermeiden.

Wir haben gekämpft für unsere Rechte. Für ein würdiges Leben im Alter. Für Gerechtigkeit.

Aber was ist mit ihrer Gerechtigkeit?

Wir verteidigen mit aller Macht ein System, das längst wankt – und weigern uns, es ehrlich neu zu denken. Nicht aus Böswilligkeit. Aus Angst. Aus Gewohnheit. Aus Bequemlichkeit.

Und während wir streiten, während wir blockieren, während wir politische Symbolgefechte führen – ticken im Hintergrund die Uhren der Demografie.

Weniger Beitragszahler, mehr Rentenempfänger, immer längere Lebensarbeitszeiten. Und trotzdem tun wir so, als könnten wir das ewig so weitermachen.

Als würde ein Aufschub bis 2028 das Problem einfach verpuffen lassen.

Nein. Es verpufft nicht. Es wächst.

Und irgendwann, wenn wir längst in Rente sind, wenn unsere Namen vergessen sind, wenn unsere politischen Debatten in Archiven verstauben – dann wird jemand die Rechnung auf den Tisch bekommen.

Dann wird eine Generation da sitzen und sagen: Warum habt ihr nicht gehandelt, als ihr noch konntet?

Ich möchte nicht, dass sie uns nur als jene erinnern, die zu spät verstanden haben. Oder schlimmer: die absichtlich weggeschaut haben.

Darum sage ich heute, aus tiefstem Herzen:

Es tut mir leid.

Es tut mir leid, dass wir euch mit einem System allein lassen, das wir nicht mehr reparieren wollten.

Es tut mir leid, dass wir Mut mit Wahnsinn verwechseln und Reform mit Angriff.

Und es tut mir leid, dass wir euch – statt einer Lösung – nur Schweigen und Schulden hinterlassen.

Möge es euch gelingen, besser zu sein als wir.

Möget ihr aus unserer Angst eure Kraft ziehen.

Und möget ihr uns eines Tages verzeihen.

Von C. Hatty

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