Tag & Nacht


Es bricht mir das Herz, mein Frankreich so taumeln zu sehen. Das Land der Aufklärung, der Revolution, der großen Ideen – es stolpert heute in eine selbstverschuldete Krise, die niemand aufhalten will. Am 8. September wird Premierminister François Bayrou in der Nationalversammlung wohl gestürzt werden. Nicht weil seine Ideen so schlecht sind, sondern weil die Opposition mit kaltem Kalkül jede Brücke abreißt.

Die Linke, die Rechte, die Sozialisten – sie alle eint nur eines: der Wille, Bayrou zu Fall zu bringen. In einer seltenen Allianz, die ideologisch keinen Sinn ergibt, triumphiert nicht die Vernunft, sondern der Zynismus. Ein Premier, der das Unangenehme wagt – Sparen, Reformen, den Finger in die Wunde der Staatsfinanzen zu legen – wird geopfert. Nicht, weil es falsch wäre, sondern weil es unpopulär ist.

Die Feigheit der Opposition

Ja, Bayrous Plan ist hart. Feiertage zu streichen, Abgaben zu erheben, Ausgaben zu kürzen – niemand applaudiert dafür. Aber was bietet die Opposition? Nichts. Keine Alternative, keinen Plan, kein Verantwortungsbewusstsein. Sie sonnt sich im Beifall der Straße, die 84 Prozent gegen den Verlust zweier Feiertage mobilisiert. Ein billiger Triumph, der uns allen teuer zu stehen kommen wird.

Die Sozialisten spielen dabei die schäbigste Rolle. Lange haben sie sich durch Enthaltungen der Verantwortung entzogen, immer mit dem Anspruch, staatstragend zu handeln. Nun aber werfen auch sie ihr Gewicht in die Waagschale, um Bayrou zu stürzen – in dem Wissen, dass damit nicht nur ein Premier fällt, sondern das gesamte politische System ins Wanken gerät.

Das drohende Chaos

Was dann? Macron wird gezwungen sein, ein neues Kabinett zusammenzuschustern oder Neuwahlen auszurufen. Beides führt direkt ins Chaos. Denn Neuwahlen würden wohl die Extreme stärken – Mélenchon auf der einen, Le Pen auf der anderen Seite. Dann stünde Frankreich endgültig vor der Wahl zwischen Links-Populismus und Rechts-Nationalismus.

Und wer glaubt, dass die Straße eine verantwortungsvollere Antwort geben wird, der verkennt die französische Realität. Der angekündigte Generalstreik am 10. September wird keine konstruktiven Lösungen hervorbringen, sondern nur das Bild eines Landes, das unfähig ist, seine Probleme rational zu bewältigen.

Mein Appell

Frankreich zerstört sich selbst. Wir zertrampeln die politische Mitte, wir verhöhnen die Unpopularität als Makel, statt sie als Ausweis von Ernsthaftigkeit zu begreifen. Bayrou mag Fehler gemacht haben, er mag ein schlechter Kommunikator sein. Aber er ist einer der letzten, die den Mut haben, das Offensichtliche auszusprechen: Dass wir uns nicht mehr alles leisten können.

Mein geliebtes Frankreich läuft sehenden Auges in eine politische Katastrophe. Und wir alle sehen dabei zu, wie sich unser stolzes Land den eigenen Institutionen entfremdet, während Demagogen und Hetzer im Hintergrund triumphieren.

Ein Kommentar von Andreas M. Brucker

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