Frankreich – Land des Weins, des Baguettes, der feinen Küche. Doch unter dem sattgrünen Kleid seiner Felder verbirgt sich eine bittere Wahrheit: Wir vergiften uns selbst. Mit System. Und mit stillschweigender Billigung der Politik.
Rund 65.000 Tonnen Pestizide landen jedes Jahr auf den Äckern Frankreichs – ein Drittel des europäischen Gesamtverbrauchs. Das ist keine Randnotiz, das ist eine nationale Tragödie mit Ansage. Die Frage ist nicht mehr, ob unsere Umwelt kontaminiert ist. Sie ist es längst. Die Böden. Die Flüsse. Das Grundwasser. Selbst die Luft.
Ich erinnere mich an einen Sommerabend in der Bretagne. Goldene Felder, ein leichter Wind, Kinder, die barfuß über die Wiese rannten. Später erfuhr ich, dass genau dort – zwischen Getreide und Apfelbäumen – die Pestizidwerte im Boden das Zehnfache des zulässigen Grenzwerts überschritten. Ein Paradies, das zur chemischen Falle geworden war.
Was ist das für ein Land, das stolz auf seine Landwirtschaft ist, aber den eigenen Nahrungsquellen beim Sterben zusieht?
Die Apokalypse beginnt nicht mit einem Donnerschlag – sie beginnt leise. Mit dem Verschwinden der Insekten. Mit dem Rückzug der Vögel. Mit Kindern, die Rückstände von fünf oder mehr Pestiziden im Körper tragen. Und mit Bäuerinnen und Bauern, die sich mit Parkinson, Krebs oder unheilbaren Nervenschäden auseinandersetzen – nur weil sie ihren Beruf ausüben.
Und was macht die Politik? Sie schreibt Pläne, die scheitern. Sie verlängert Fristen, die nie halten. Und sie winkt 2025 eine Gesetzesänderung durch, die hochtoxische Neonicotinoide wieder erlaubt – Stoffe, von denen wir längst wissen, dass sie Bienenvölker auslöschen wie Frost eine zarte Blüte. Was für ein Wahnsinn.
Dabei gäbe es Wege aus der Sackgasse. Wege, die nicht ins Labor, sondern in die Zukunft führen. Agroökologie. Biolandbau. Kreislaufwirtschaft. Projekte, die zeigen: Es geht auch anders. Dass Ertrag nicht Gift bedeuten muss. Dass Ernährungssicherheit und Umweltschutz kein Widerspruch sind.
Aber dazu braucht es Mut. Und ein anderes Denken.
Vielleicht beginnt dieser Wandel nicht in den Ministerien, sondern bei uns – beim Einkauf, beim Kochen, im Gespräch mit den Kindern. Vielleicht müssen wir wieder lernen, dass „natürlich“ mehr ist als ein Marketingslogan. Dass jede Kartoffel, die ohne Gift wächst, ein politischer Akt ist.
Denn am Ende geht es um mehr als nur um Essen.
Es geht um die Frage: Welches Erbe hinterlassen wir?
Ein Boden, der nährt – oder einer, der krank macht?
Ein Land, das stolz auf seine Landwirtschaft ist – oder eins, das sie stillschweigend opfert?
Die Antwort liegt in unseren Händen – und auf unseren Tellern.
Autor: Andreas M. Brucker
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