Frankreich erlebt gerade, was geschieht, wenn ein Staat seine Schulen über Jahre hinweg vernachlässigt: Lehrer fehlen, Schüler verlieren die Lust am Lernen, und eine ganze Gesellschaft schwächt sich selbst. Der Mangel von 2.500 Lehrkräften zum Schuljahresbeginn 2025 ist kein Betriebsunfall, sondern die direkte Folge politischer Entscheidungen – und einer gefährlichen Haltung, die Bildung als Kostenfaktor behandelt, nicht als Investition in die Zukunft.
Eine Spirale nach unten
Jahrelang wurde im französischen Bildungssystem gespart, geschoben und improvisiert. Heute wird das Klassenzimmer zum Experimentierfeld für Notlösungen: Vertragslehrer ohne fundierte Ausbildung, pensionierte Lehrer, die reaktiviert werden, überforderte Grundschullehrer, die ins Gymnasium abkommandiert werden. Man nennt es „Flexibilität“, in Wahrheit ist es purer Mangelbetrieb.
Die Schüler bezahlen den Preis. Wer in der Provinz oder in einem ärmeren Viertel lebt, bekommt keinen qualifizierten Mathematiklehrer – und damit weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wer Glück hat, sitzt in einer gut versorgten Pariser Schule. Bildungsgerechtigkeit? Ein hohles Wort.
Das zerstörte Versprechen
Die Republik versprach einst, dass jedes Kind – unabhängig von Herkunft oder Einkommen – die gleichen Chancen erhält. Doch dieser Gesellschaftsvertrag bricht gerade zusammen. Lehrer, die erschöpft, unterbezahlt und ohne die notwendige Anerkennung arbeiten, verlieren den Glauben an ihren Beruf. Eltern verlieren das Vertrauen in die Schulen. Schüler verlieren das Vertrauen in den Staat.
Es gibt kein stärkeres Zeichen des Niedergangs einer Nation, als wenn Bildung nicht mehr Priorität hat. Wer an Schulen spart, spart nicht an Gebäuden oder Gehältern – er spart an der Zukunft einer ganzen Gesellschaft.
Die politische Verantwortung
Die Verantwortlichen versuchen, den Mangel herunterzureden. 2.500 fehlende Lehrer – das klinge doch nach wenig, bei Hunderttausenden Stellen. Aber diese Zahl ist trügerisch. Sie steht für 0,7 Prozent der Unterrichtsstunden, die nicht stattfinden. Sie steht für Kinder, die keine Lehrer haben. Sie steht für Fächer, die verschwinden.
Und sie steht für eine politische Kultur, die lieber kurzfristig im Haushalt kürzt, als langfristig in Köpfe zu investieren. Frankreich ist stolz auf seine Tradition von Aufklärung und Demokratie. Doch eine Republik, die ihre Schulen vernachlässigt, sägt an ihrem Fundament.
Bildung ist keine Ausgabe – sie ist Überleben
Die Frage lautet nicht: „Können wir uns das leisten?“ – sondern: „Können wir es uns leisten, es nicht zu tun?“ Jede gesparte Million im Bildungswesen wird später als Milliardenproblem in Form von Arbeitslosigkeit, Radikalisierung und sozialer Spaltung zurückkehren.
Frankreichs Schulkrise ist eine Warnung. Für Paris. Für Berlin. Für ganz Europa. Wer an der Bildung spart, verspielt seine Zukunft. Und zwar unwiderruflich.
Ein Kommentar von Andreas Brucker
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