Tag & Nacht




Plötzlich steht das Wasser in den Straßen von Lanzarote. Wo vor kurzem noch Tourist:innen barfuß durch den warmen Sand liefen, schwappte nun braune Brühe gegen Hauswände. Fast wie ein zorniger Ozean, der sich seinen Weg zurückerobert. Und während dort Autos davontreiben, rüsten sich weiter nördlich die Menschen in Norditalien gegen das, was die Wetterdienste schon mit einem Wort beschreiben, das Gänsehaut verursacht: Starkregen.

400 Liter Wasser pro Quadratmeter. Stell dir das mal bildlich vor – als würde sich der Himmel einen Eimer schnappen und ihn über deinem Haus auskippen. Und dann nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Irgendwann hält kein Boden, keine Mauer mehr stand.

Was hat das alles mit dem zu warmen März zu tun, den die Wissenschaftler gemessen haben? Viel. Sehr viel. Denn die Wärme bringt nicht nur Frühlingsgefühle – sie füttert die Atmosphäre mit Wasserdampf, lässt Luftmassen instabil werden, und plötzlich reicht ein kleiner Auslöser, damit der Himmel die Schleusen öffnet. Der März 2025 war zu warm, zu feucht, zu viel von allem. Und genau das erleben wir jetzt.

Solche Wetterkapriolen? Früher nannte man das vielleicht „Ausnahmezustand“. Heute sind sie Realität. Die neue Normalität, wenn man so will – eine, die keiner haben wollte. Der Klimawandel ist längst kein abstraktes Konzept mehr aus UN-Konferenzen oder Berichten des Weltklimarats. Er ist da. Spürbar. Spülbar. Und manchmal sogar riechbar, wenn der modrige Gestank von Überschwemmungen in der Luft liegt.

Ich frage mich: Wie oft muss der Planet uns noch anschreien, bis wir zuhören? Müssen noch mehr Menschen ihre Häuser verlieren, noch mehr Felder weggespült werden, noch mehr Existenzen im Regen untergehen?

Was mich wütend macht: Die Warnzeichen waren da. Schon lange. Die Wissenschaft hat sie geliefert, auf dem Silbertablett, gut verpackt mit Diagrammen und verständlichen Szenarien. Aber zu oft wurde weggeschaut, weggelächelt, weggeschoben. Jetzt geht das nicht mehr.

Und weißt du, was mich noch mehr trifft? Dass es wieder die trifft, die am wenigsten Schuld tragen. Die Fischer auf Lanzarote. Die Alten in den italienischen Bergdörfern. Menschen, die keinen Einfluss auf globale Emissionen haben, aber dafür den vollen Preis zahlen.

Natürlich braucht es jetzt Soforthilfe, Sandsäcke, Evakuierungen – keine Frage. Aber das reicht nicht. Wir müssen grundlegend umdenken. In der Politik, in der Wirtschaft, im Alltag. Weniger CO₂ ist keine nette Option – es ist überlebenswichtig. Mehr Klimaanpassung ist keine bürokratische Spielerei – es ist ein Schutzschild für die kommenden Generationen.

Und ja, es geht auch anders. Ich sehe Initiativen, kreative Lösungen, junge Menschen, die sich nicht abspeisen lassen. Hoffnung ist da. Aber sie braucht Unterstützung. Mut. Entschlossenheit. Und endlich das Eingeständnis, dass „weiter so“ keine Strategie ist, sondern ein Ticket in die nächste Katastrophe.

Manchmal frage ich mich, ob wir wirklich begreifen, was da gerade passiert. Oder ob wir einfach hoffen, dass es schon vorbeigeht – wie ein böser Traum. Aber der Wecker klingelt nicht. Wir sind längst wach. Jetzt liegt es an uns, ob wir auch handeln.

Ein Kommentar von Andreas M. Brucker

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