Ich sitze hier und frage mich: Waren wir gerade Zeugen einer diplomatischen Entgleisung oder nur eines weiteren Kapitels im großen Trump-Drama? Der US-Präsident verlässt den G7-Gipfel einen Tag früher – angeblich wegen der eskalierenden Lage im Nahen Osten. Doch riecht das nicht eher nach Ausflucht als nach Verantwortungsbewusstsein? Während Emmanuel Macron versucht, eine Vermittlerrolle zu übernehmen, verhöhnt ihn Trump auf dem Rückflug öffentlich als „Medien-Clown“. Was für ein Bild: Ein Präsident, der sich aus dem Staub macht – und ein europäischer Partner, der sich vergeblich um Haltung bemüht.
Ukraine im diplomatischen Vakuum
Wolodymyr Selenskyj kommt mit der Hoffnung auf verstärkten Rückhalt – und trifft auf trumpsches Desinteresse und Uneinigkeit. Die Mehrheit der G7-Staaten will härtere Sanktionen gegen Russland. Trump blockiert. Zu teuer, zu ineffektiv, zu wenig amerikanischer Nutzen. Eine geplante Begegnung zwischen ihm und Selenskyj fällt aus. Kein Signal der Stärke, sondern ein fatales Schweigen. Die Ukraine bleibt zurück, als Spielball globaler Machtspiele – allein gelassen in einem Konflikt, der längst über europäische Grenzen hinausweist.
Persönliche Eitelkeiten statt strategischer Führung
Was sich zwischen Trump und Macron abspielt, ist mehr als nur persönliche Animosität. Es ist ein Sinnbild für den Zerfall multilateraler Diplomatie. Der eine poltert, provoziert, verweigert jede Form der Zusammenarbeit. Der andere kämpft um den letzten Rest an Gesprächsfähigkeit – und wird zum Ziel öffentlicher Häme. Diese Eskalation offenbart nicht nur politische Differenzen, sondern eine grundsätzliche Unvereinbarkeit von Weltbildern: unilateraler Rückzug trifft auf multilateralen Gestaltungswillen.
Gipfel der Sprachlosigkeit
Am Ende steht ein G7-Gipfel ohne gemeinsames Abschlussdokument. Kein Konsens zur Ukraine, keine klare Linie zum Nahen Osten, nicht einmal ein Minimalkompromiss. Stattdessen: Einzelstatements, diplomatische Phrasen, Ratlosigkeit. Die Bühne, auf der einst weltpolitische Weichen gestellt wurden, ist zur Kulisse einer Kakofonie verkommen. Und die große Frage bleibt: Was ist ein G7-Gipfel noch wert, wenn seine Teilnehmer nicht mehr miteinander sprechen können?
Der G7-Gipfel 2025 in Kananaskis war keine Konferenz der großen Lösungen, sondern eine tragische Komödie der zerrissenen Allianzen. Ein Spektakel, das eher an Reality-TV erinnerte als an verantwortungsvolle Weltpolitik. Und während die Krisen dieser Welt ungemindert weiterbrennen, wirkt das Verhalten einiger ihrer mächtigsten Akteure nur noch zynisch. Wenn diese Show das neue Normal ist, stehen uns düstere Jahre bevor.
Ein Kommentar von P. Tiko
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