Tag & Nacht

Am Sonntag wies Wladimir Putin seinen Verteidigungsminister und den Generalstabschef an, die Abschreckungskräfte der russischen Armee in Alarmbereitschaft zu versetzen. Eine Drohung, die das Gespenst eines Atomkriegs mit verheerenden Folgen heraufbeschwört eine einschätzung der Zeitung La Depeche du Midi.

Kann Wladimir Putin im Alleingang einen Atomschlag auslösen?
Drei Atomkoffer, die nach einem Berg im Kaukasus „Tschet“ genannt werden, müssen gleichzeitig von Wladimir Putin, Generalstabschef Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu aktiviert werden. Letztere wurden von Putin aufgefordert, die Atomstreitkräfte „in Alarmbereitschaft“ zu versetzen. Ein vor allem symbolischer Befehl, da solche Streitkräfte eigentlich ständig in Alarmbereitschaft sein sollten. In Frankreich kann nur der Präsident der Republik den berühmten roten Knopf drücken.

190 Länder, darunter die Ukraine, haben den internationalen Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen unterzeichnet. Heute verfügen nur neun Länder über Atomwaffen und 90% des weltweiten Arsenals befinden sich im Besitz von Russland und den USA mit 6.255 bzw. 5.550 Atomsprengköpfen. Mit 290 nuklearen Sprengköpfen steht Frankreich an vierter Stelle, hinter China (350) und vor dem Vereinigten Königreich (225). Die anderen Länder sind Pakistan (165), Indien (156), Israel (90) und Nordkorea (40 bis 50). 

Heute gibt es mehrere Arten von Atomwaffen. Die grösste ist eine Bombe, eine strategische Waffe, die eine Hauptstadt oder eine ganze Stadt zerstören kann, wie es am Ende des 2. Weltkriegs in Hiroshima oder Nagasaki der Fall war. Und dann gibt es begrenzte taktische Waffen, die auf einem Schlachtfeld eingesetzt werden können. Eine Mini-Nuke genannte taktische Granate kann zum Beispiel eingesetzt werden, um sehr tief unter der Erde liegende Infrastrukturen zu zerstören. Frankreich verfügt über strategische Waffen, aber nicht über die kleineren taktischen Atombomben. Stattdessen hat es eine „prästrategische“ Waffe entwickelt, die als letzte Warnung dienen soll.

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Sprengkraft von Atombomben etwa verzehnfacht. Die Atombomben, die 1945 die beiden japanischen Grossstädte auslöschten, waren im Vergleich zu modernen Atomwaffen sehr schwach. Anfang der 1960er Jahre testete Russland in Sibirien die „Zar Bomba“, die stärkste thermonukleare Bombe, die je von Menschen gebaut wurde (50 Megatonnen im Vergleich zu 21 Kilotonnen in Nagasaki). Die erst vor kurzem freigegebenen Bilder der „Zar Bomba“ zeigen einen Atompilz, der über 200.000 Fuß hoch ist. Die Schockwelle und die atmosphärische Störung, die auf die Explosion der „Zar Bomba“ folgten, haben die Erde dreimal umrundet. Die seit 2020 einsatzbereite ballistische Interkontinentalrakete „Satan 2“, die in der Lage ist, ein Land wie Frankreich vollständig auszulöschen, weckt die Angst der westlichen Welt.

Kuba 1962, der indisch-pakistanische Konflikt Anfang der 2000er Jahre – es ist nicht das erste Mal, dass die atomare Bedrohung näher rückt. Zwar kann nichts mit Sicherheit gesagt werden, doch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Atomkrieg ausbricht, ist nach wie vor sehr gering.

Klar ist: Wenn Putin in der Ukraine Atomwaffen einsetzt, würde er einen Prozess in Gang setzen, der ihn selbst sehr stark gefährdet. Die Gegenreaktion der anderen Länder würde nicht lange auf sich warten lassen und davon würde sich Russland nicht mehr erholen. Die Atomwaffen sind Abschreckungswaffen, keine Aktionswaffen. Man droht damit, aber man setzt sie nicht ein.

Wladimir Putin wollte offensichtlich einen Blitzkrieg führen, stieß aber auf unerwartet starken ukrainischen Widerstand und eine geeinte internationale Gemeinschaft. Da er sich in die Enge getrieben sieht, spielt er nun seine letzte Karte aus, um eine Niederlage zu vermeiden, die ihn teuer zu stehen kommen könnte.

Sollte tatsächlich ein Angriff stattfinden, können sich Länder wie Frankreich können auf ausgeklügelte Verteidigungssysteme der Luftwaffe verlassen. Und es gilt: Die Fähigkeit, zurückzuschlagen, ist und bleibt höchst abschreckend.


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