Was nach einem skurrilen Kriminalfall klingt, trifft im Département Jura mitten ins Herz der regionalen Identität: Seit mehreren Wochen verschwinden dort großformatige Kupferkessel – essenziell für die traditionelle Käseherstellung. Die Täter agieren gezielt und organisiert, und die Betroffenen stehen fassungslos vor einer Welle von Diebstählen, die weit mehr als nur materiellen Schaden anrichten.
Die Seele des Käses
In kaum einer anderen Region Frankreichs ist das Wissen um die Käseherstellung so tief verwurzelt wie im Jura. Comté, Morbier oder Bleu de Gex – sie alle verdanken ihren einzigartigen Charakter nicht zuletzt einem Utensil, das so alt ist wie das Handwerk selbst: dem Kupferkessel.
Diese Kessel sind keine beliebig austauschbaren Werkzeuge. Sie sind Erbstücke, oft über Generationen weitergegeben, liebevoll gepflegt und das Zentrum jeder traditionellen Käserei. Genau deshalb ist ihr plötzlicher Verlust ein echter Schock für die betroffenen Familienbetriebe.
Gezielte Raubzüge mit System
In mehreren Ortschaften wurden über Nacht schwere Kupferkessel entwendet – manche wiegen bis zu 80 Kilogramm. Die Vorgehensweise der Täter deutet auf eine gut geplante Organisation hin: kein Vandalismus, keine Spuren von Hektik, sondern gezieltes Handeln unter dem Schutz der Dunkelheit. Offenbar wissen die Diebe genau, worauf sie es abgesehen haben.
Wieso stiehlt man Käsekessel?
Eine naheliegende Vermutung ist der Wert des Kupfers. Der Marktpreis liegt derzeit bei etwa 6 bis 7 Euro pro Kilo. Doch der Aufwand, diese sperrigen Objekte zu transportieren und zu verkaufen, scheint für einen einfachen Altmetall-Diebstahl unverhältnismäßig hoch.
Eine andere, weitaus interessantere Theorie: gezielte Aufträge von Sammlern oder Gastronomen, die ihr Lokal mit authentischen Stücken dekorieren wollen. In Antiquitätenkreisen genießen originale Käsekessel hohes Ansehen – in diesem Fall wäre der Schwarzmarkt deutlich exklusiver, vielleicht sogar international.
Es kursieren auch wilder klingende Spekulationen – etwa von Aktivisten, die mit den Diebstählen ein Statement gegen industrielle Landwirtschaft setzen wollen. Doch Beweise gibt es dafür keine.
Polizei im Dauereinsatz – aber ohne Erfolge
Die Behörden lassen nichts unversucht: Nachtpatrouillen wurden verstärkt, Bauernhöfe sensibilisiert, und die Bevölkerung wird aufgerufen, verdächtige Aktivitäten sofort zu melden. Bislang allerdings ohne konkreten Erfolg. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren – doch Täter und Beute bleiben verschwunden.
Ein Problem: Die Kessel sind nicht standardisiert, nicht registriert und lassen sich kaum nachverfolgen. Wenn sie einmal außer Landes sind, gibt es kaum eine Chance, sie wiederzufinden.
Die Folgen wiegen schwer
Neben dem offensichtlichen materiellen Verlust trifft die Diebstahlsserie die Produzenten emotional – und wirtschaftlich. Ersatzkessel kosten Tausende Euro, ganz zu schweigen von den Verzögerungen in der Käseproduktion. In kleinen Käsereien mit schmalem Budget kann das existenzbedrohend sein.
Schlimmer noch: Die Diebstähle werden als Angriff auf die Kultur wahrgenommen. Was hier gestohlen wird, ist nicht bloß Metall – es ist Identität, Geschichte, Handwerkskunst. Und genau das macht den Fall so brisant.
Solidarität statt Stillstand
In der Not wächst der Zusammenhalt. Erste Betriebe schließen sich zusammen, um ihre Produktionsstätten gemeinschaftlich zu sichern. Andere fordern ein nationales Register für Kupferkessel oder technische Lösungen wie GPS-Tracker – ein moderner Ansatz für ein altes Problem.
Auch in der Öffentlichkeit regt sich Unterstützung. Informationskampagnen sollen verdeutlichen, warum diese Kessel so wertvoll sind – nicht wegen ihres Materialpreises, sondern wegen ihrer kulturellen Bedeutung.
Ein Weckruf für den ländlichen Raum?
Vielleicht ist diese bizarre Diebstahlswelle auch ein Symbol dafür, wie fragil traditionelle Strukturen geworden sind. Der ländliche Raum wird oft romantisiert – doch wer ihn wirklich erhalten will, muss ihn schützen. Und zwar nicht nur gegen Einbrecher, sondern auch gegen Gleichgültigkeit.
Denn Handwerk braucht Anerkennung. Und manchmal auch Alarmanlagen.
Von Catherine H.
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