Frische Luft statt Abgassmog – Lyon krempelt seinen Stadtverkehr radikal um. Seit Anfang Juni ist Schluss mit dem freien Durchkommen in der historischen Innenstadt. Die Presqu’île, das Herz der Stadt, ist jetzt eine Zone mit streng limitierter Verkehrsregelung. Und das ist nur der Anfang.
Die neue Verkehrszone: Nur noch mit Anwohner-Pass durch die Presqu’île
Seit dem 1. Juni 2025 gilt auf der zentralen Presqu’île eine neue Regel: Zutritt nur noch mit Anwohner-Ausweis! Rund um die Uhr dürfen hier nur noch Anwohner, Menschen mit Arbeitsplatz in der Zone, Rettungsdienste sowie gezielt zugelassene Fahrzeuge fahren. Ein gemütlicher Sonntagsausflug mit dem Auto durch die Innenstadt? Ab sofort passé – es sei denn, man zählt zur privilegierten Ausnahmegruppe.
Die Idee dahinter: Weniger Verkehr, weniger Abgase, mehr Lebensqualität. Denn genau da hat es in den vergangenen Jahren ordentlich geknirscht. Der Stau – eine Dauerplage. Die Luft – dick wie Suppe. Zeit für einen Wandel.
Luftrein statt laut: Die Umweltzone wächst
Parallel zur Presqu’île-Offensive hat die Metropole Lyon ihre Umweltzone (ZFE – Zone à Faibles Émissions) ordentlich ausgeweitet. Seit dem 1. Januar 2025 gehören nun auch Bron und Vénissieux dazu, neben den bisher betroffenen Gemeinden Lyon, Villeurbanne und Caluire.
Für Fahrzeuge mit den Crit’Air-Plaketten 3, 4, 5 oder gar ohne Klassifizierung heißt das: Einfahrt verboten! Weder fahren noch parken ist in dieser Zone erlaubt – egal, ob man nur kurz hält oder die Kinder zur Schule bringt.
Klingt streng? Ist es auch. Aber es zeigt Wirkung.
Saubere Luft? Endlich messbar!
Und siehe da – die Maßnahmen zahlen sich aus. Die Stickstoffdioxid-Werte (NO₂) sinken. Der Grenzwert, jahrelang übertroffen, liegt nun in greifbarer Nähe. Auch bei den berüchtigten Feinstaubpartikeln (PM10) gibt’s endlich Entwarnung: Die aktuellen Werte liegen im grünen Bereich.
Die Stadt atmet auf – buchstäblich.
Doch was sagen die Menschen vor Ort?
So groß die Fortschritte auch sind – nicht alle jubeln. Gerade Geschäftsleute und Bewohner der betroffenen Stadtteile haben Fragen: Wie komme ich zur Arbeit? Wer bringt die Einkäufe? Wer zahlt am Ende die Zeche?
Einige fühlen sich schlicht ausgeschlossen. Denn nicht jeder kann sich mal eben ein neues, umweltfreundliches Auto leisten. Die Umstellung trifft besonders jene hart, die ohnehin knapp bei Kasse sind.
Lyon reagiert darauf – mit Hilfsprogrammen zur Fahrzeugumrüstung, Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und Maßnahmen zur sozialen Abfederung.
Aber reicht das?
Zwischen Idealismus und Alltag: Wie geht es weiter?
Eines steht fest: Lyon will grün, gesund und zukunftstauglich sein. Die Maßnahmen gegen Luftverschmutzung sind keine Spielerei, sondern ein tiefgreifender Umbau des städtischen Lebens. Die Politik spricht von „Modellcharakter“ – doch was bedeutet das für den Alltag der Menschen?
Klar ist: Wer in einer modernen Stadt leben will, muss sich auf Veränderungen einstellen. Der Weg dahin ist manchmal unbequem – aber vielleicht lohnt sich der Blick auf das große Ganze.
Denn wer möchte schon in einer Stadt wohnen, in der der Himmel permanent grau vor Smog ist?
Von Andreas M. Brucker
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