Ein unterirdischer Palast für 148 Millionen Euro – gebaut für Emmanuel Macron, bezahlt vom französischen Steuerzahler? Diese Behauptung macht seit dem 1. Oktober 2025 in sozialen Netzwerken die Runde. Sie klingt wie aus einem dystopischen Politthriller – ist aber frei erfunden. Die Geschichte vom „geheimen Luxus-Bunker des Präsidenten“ ist nicht nur falsch, sondern ein Paradebeispiel für gezielte Desinformation, wie sie Europa seit Beginn des Ukraine-Kriegs zunehmend erlebt.
Ein kurzer Clip, zwei Minuten lang, veröffentlicht auf X (ehemals Twitter), hat den Stein ins Rollen gebracht. Rund 300.000 Mal wurde er inzwischen angesehen. Darin wird behauptet, der französische Präsident lasse sich im Geheimen einen hochmodernen Bunker bauen – mit allem erdenklichen Komfort, versteht sich. Den Auftrag dafür soll er an eine Schweizer Firma namens „Oppidium“ vergeben haben. Vorauszahlung: 50 Millionen Euro. Abgesegnet von Alexis Kohler, dem ehemaligen Generalsekretär des Élysée-Palasts. Klingt spektakulär – ist aber kompletter Unsinn.
Ein Bunker, der nie gebaut wurde – von einer Firma, die es nicht mehr gibt
Schon ein kurzer Faktencheck entlarvt das Video als plumpen Fake. Die genannte Firma heißt nicht „Oppidium“, sondern „Oppidum“ – sie war tatsächlich auf Luxus-Bunker für reiche Privatkunden spezialisiert. Nur: Sie existiert nicht mehr. Oppidum wurde bereits im Frühjahr 2025 aufgelöst. Der Eintrag im Schweizer Handelsregister belegt das schwarz auf weiß. Die Firmenwebseite? Offline. Der Social-Media-Account? Verschwunden.
Allein dieser Punkt macht die Geschichte bereits unhaltbar. Es ist schlicht unmöglich, dass der Élysée im September 2025 einen Millionenauftrag an eine nicht mehr existierende Firma vergibt – geschweige denn eine Vorauszahlung in der Größenordnung eines mittleren Krankenhausbudgets leistet.
Ein altbekanntes Muster – Made in Russia
Doch wer steckt hinter dieser Falschmeldung? Die Spur führt zu einer Kampagne, die bereits einen Namen hat: „Storm-1516“. Laut dem französischen Dienst Viginum, der sich mit digitalen Einflussoperationen befasst, handelt es sich dabei um eine koordinierte russische Desinformationsstrategie. Ziel: das öffentliche Vertrauen in westliche Institutionen untergraben – gerade in Zeiten politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit.
Und das funktioniert so: Es wird ein täuschend echter Artikel auf einer neu erstellten Webseite veröffentlicht – in diesem Fall unter der Adresse „brutinfo.fr“. Die Seite imitiert das bekannte Medienformat „Brut“, inklusive gefälschter Autorenangaben. Für den Bunker-Artikel wurde etwa der Name des renommierten Le Monde-Journalisten Benoît Vitkine missbraucht – ausgerechnet eines Korrespondenten, der 2020 selbst über Putins angeblichen Bunker berichtete. Die Ironie? Fast schon literarisch.
Einmal online, wird das Fake-Material durch pro-russische Accounts auf X verbreitet, etwa durch den berüchtigten Éric Archambault. Der Trick: Je öfter ein solcher Beitrag geteilt wird, desto glaubwürdiger erscheint er. Dabei bleibt der Ursprung meist im Dunkeln – doch technische Spuren, etwa die IP-Adresse der Seite, führen nach Litauen. Eine typische Taktik in der Welt digitaler Propaganda.
Medien im Fadenkreuz – und die Demokratie gleich mit
Die Masche ist nicht neu – aber sie wird raffinierter. Schon im Juli kursierte ein ähnlich aufgebauter Fake: Ein vermeintlicher Arzt, der angeblich Beweise dafür hatte, dass Brigitte Macron trans sei, soll „mysteriös“ ums Leben gekommen sein. Auch diese Geschichte war frei erfunden – inklusive einer erfundenen Journalistin, die angeblich den Artikel verfasst hatte. Wieder ein Beispiel für gezielte Identitätsdiebstähle mit politischem Ziel.
Was diese Fälle zeigen: Fake News sind längst kein digitales Randphänomen mehr. Sie schaffen es zunehmend in die reale politische Debatte. Im Juni fiel etwa der linke Politiker Manuel Bompard auf eine gefälschte Statistik herein, die von einer KI-generierten Webseite stammte. Was früher als Trollerei belächelt wurde, wird heute zur Waffe im Informationskrieg – mit direktem Einfluss auf Meinungen, Debatten, Wahlen.
Luxusbunker? Nein. Aber ein tiefer Einblick in moderne Desinformation
Die Geschichte vom Macron-Bunker ist damit nicht nur eine erfundene Anekdote – sie ist ein Weckruf. Sie zeigt, wie leicht sich Täuschung ins digitale Bewusstsein einschleichen kann. Eine spektakuläre Zahl, ein vermeintlich investigativer Tonfall, ein seriös klingender Absender – und schon wird aus einer Lüge eine scheinbare Wahrheit.
Bleibt also nur eine Frage: Wie viele solcher „Bunker“ werden wir noch sehen, bevor wir unsere Informationsräume besser schützen?
Von Andreas M. Brucker
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