Eine politische Krise hat Frankreich erfasst – und die Spannung steigt. Emmanuel Macron, Präsident der Republik, hat die Zügel in der Hand, doch der Weg nach vorn ist ungewiss. Nach der historischen Abwahl des Premierministers Michel Barnier durch 331 Abgeordnete muss das Land auf eine richtungsweisende Entscheidung warten. Doch eines ist klar: Am Donnerstagabend wird kein neuer Premierminister bekannt gegeben.
Politische Unsicherheit in der Luft
Um 20 tritt Emmanuel Macron vor die Nation. Seine Ansprache könnte entscheidend sein, denn das Land befindet sich in einer politisch heiklen Phase. Nach dem Sturz des Barnier-Kabinetts muss der Präsident nicht nur einen neuen Regierungschef benennen, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. „Macron muss die Franzosen beruhigen“, erklärte Yaël Braun-Pivet, Präsidentin der Nationalversammlung, am Donnerstag.
Diese Unsicherheit ist beispiellos. Der bisherige Premierminister, Michel Barnier, hat seine Demission eingereicht – doch er und sein Kabinett bleiben im Amt, um „die laufenden Geschäfte“ zu führen, bis ein Nachfolger ernannt wird.
Wer wird Macrons nächster Premier?
Die Gerüchteküche brodelt. Zwei Namen tauchen immer wieder auf: François Bayrou, ein langjähriger Verbündeter Macrons und Vorsitzender der Gruppe MoDem, sowie Sébastien Lecornu, derzeit Verteidigungsminister. Bayrou, ein erfahrener Politiker mit einer breiten Basis in der Mitte, wäre ein logischer Kandidat, doch Lecornu bringt die Dynamik eines jüngeren Politikers mit sich. Beide Optionen haben ihre Vorzüge – aber wer passt besser zu Macrons Strategie?
Am Donnerstagmittag empfing Macron Bayrou zum Mittagessen im Elysée-Palast. Direkt im Anschluss folgten Gespräche mit der Präsidentin der Nationalversammlung und später mit Gérard Larcher, dem Präsidenten des Senats. Es scheint, als wolle Macron nichts überstürzen – ein kluger Schachzug in einer so heiklen Lage.
Die Opposition erhöht den Druck
Doch während Macron taktiert, bleibt die Opposition nicht untätig. Mathilde Panot, Vorsitzende der Fraktion der Partei „La France insoumise“, fordert unverblümt: Der nächste Premierminister müsse aus dem „Nouveau Front populaire“ (NFP) stammen, einer linken Koalition, die mit ihren Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und ökologischen Reformen auf sich aufmerksam macht. Sollte Macron diese Forderung ignorieren, droht die Linkspartei LFI mit einer erneuten Blockade.
Der Premierminister mit der kürzesten Amtszeit
In der Geschichte der Fünften Republik wird Michel Barnier nun eine zweifelhafte Ehre zuteil: Er ist der Premierminister mit der kürzesten Amtszeit. Nach nur drei Monaten im Amt scheiterte seine Regierung an einer Misstrauensabstimmung – ein Zeichen dafür, wie tief die politischen Gräben in Frankreich derzeit verlaufen.
Doch was bedeutet das für die kommenden Wochen? Kann Frankreich auf eine schnelle Lösung hoffen, oder werden die politischen Ränkespiele das Land noch länger in Atem halten?
Macron: Ein Präsident unter Druck
Macron steht vor einer Mammutaufgabe. Er muss nicht nur die Franzosen überzeugen, sondern auch die politische Balance wahren – zwischen einer fordernden Opposition, skeptischen Verbündeten und einer Bevölkerung, die zunehmend ungeduldig wird.
Die Ansprache des Präsidenten könnte einen ersten Hinweis darauf geben, wie er diese Herausforderung meistern will.
Macron nach der Krise: Ein Präsident zwischen Angriff und Neuanfang
Nach der spektakulären Abwahl seines Premierministers wandte sich Emmanuel Macron am Donnerstagabend in einer mit Spannung erwarteten Rede an die Franzosen. Während er betonte, sein Amt bis 2027 auszuüben, nutzte er die Gelegenheit, die Opposition scharf zu kritisieren und seine Pläne für die nächsten Monate darzulegen. Doch was bleibt von dieser Ansprache?
Macron greift die Extreme an
Mit klaren Worten wandte sich der Präsident gegen das, was er als „antirepublikanische Front“ bezeichnete – eine Allianz zwischen der extremen Rechten des Rassemblement National (RN) und der linken Koalition Nouveau Front Populaire (NFP). Macron warf diesen Kräften vor, aus reinem Opportunismus zusammenzuarbeiten, um die Regierung zu stürzen und Chaos zu stiften.
„Sie denken nur an eines: die nächste Präsidentschaftswahl, sei es durch Vorbereitung, Provokation oder Beschleunigung“, erklärte Macron mit Blick auf den RN und dessen Führungsriege um Marine Le Pen. Ein direkter Angriff, der nicht nur auf politische Gegner, sondern auch auf die öffentliche Wahrnehmung der jüngsten Ereignisse abzielt.
Selbstkritik – zumindest ein bisschen
Macron zeigte sich auch selbstkritisch, wenn auch vorsichtig. Er räumte ein, dass die Auflösung der Nationalversammlung im Juni 2024 nicht auf das Verständnis der Bevölkerung gestoßen sei. „Viele haben mir diese Entscheidung vorgeworfen – und ich verstehe, dass sie weiterhin kritisiert wird“, sagte er. Gleichzeitig machte er jedoch deutlich, dass er zu dieser Entscheidung stehe, obwohl sie zu einer parlamentarischen Landschaft ohne klare Mehrheiten geführt habe.
Die Einsicht kommt spät, mag man denken. Doch was hätte Macron davon, einfach klein beizugeben?
Ein Präsident, der bleibt
Inmitten der aufgewühlten politischen Lage wies Macron Spekulationen über seinen Rücktritt entschieden zurück. „Der Auftrag, den Sie mir demokratisch erteilt haben, ist ein Fünfjahresmandat – und ich werde es bis zum Ende ausüben“, erklärte er. Diese Entschlossenheit soll Stabilität signalisieren, steht jedoch im Kontrast zu aktuellen Umfragen, die zeigen, dass zwischen 59 und 61 Prozent der Franzosen seinen Rücktritt befürworten würden.
Hier stellt sich die Frage: Kann Macron in den verbleibenden Monaten seines Mandats das Vertrauen zurückgewinnen, oder bleibt er ein Präsident, der nur noch verwaltet?
Notlösung für den Haushalt
Ein weiterer zentraler Punkt seiner Rede war die Ankündigung einer „Sonderregelung“ für den Staatshaushalt. Um die Stabilität der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten, wird Mitte Dezember ein Gesetz eingebracht, das es ermöglicht, die Haushaltsentscheidungen für 2024 auch im Jahr 2025 anzuwenden. Eine pragmatische, aber ungewöhnliche Maßnahme, die zeigen soll, dass Macron gewillt ist, handlungsfähig zu bleiben, auch wenn das Parlament blockiert ist.
„Diese temporäre Regelung garantiert die Kontinuität der öffentlichen Dienste und das Funktionieren unseres Landes“, betonte der Präsident. Doch ob dieser Schritt wirklich überzeugt, bleibt abzuwarten.
Ein neuer Premierminister – bald
Eine der drängendsten Fragen blieb unbeantwortet: Wer wird der nächste Premierminister? Macron versprach lediglich, in den kommenden Tagen einen neuen Regierungschef zu benennen. Dieser soll ein „schlankes Kabinett“ zusammenstellen, das er als „Regierung des allgemeinen Interesses“ bezeichnete. Macron fordert dabei von den politischen Kräften, entweder mitzuwirken oder zumindest auf weitere Blockaden zu verzichten.
Klingt gut, oder? Doch die Realität könnte anders aussehen. Macron wirkte skeptisch, dass diese Regierung wirklich auf breite Unterstützung hoffen kann, besonders in Anbetracht der polarisierten Stimmung im Parlament.
Ein Ausblick mit vielen Fragezeichen
Macron appellierte in seiner Rede an die Verantwortung aller politischen Akteure. Gleichzeitig zeigte er, dass er bereit ist, hart durchzugreifen und die Agenda seiner Regierung durchzusetzen – mit oder ohne Unterstützung.
Ob ihm das gelingt, hängt von mehreren Faktoren ab: der Wahl des neuen Premierministers, der Fähigkeit, die Opposition zu beruhigen, und nicht zuletzt von der Bereitschaft der Franzosen, ihm eine zweite Chance zu geben.
Eines steht jedoch fest: Macron hat die politische Krise noch lange nicht überwunden. Aber wie heißt es so schön? Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, hat schon verloren.
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