Mit der endgültigen Schließung von Marineland in Antibes, einem der bekanntesten Meerestierparks Frankreichs, endet am 5. Januar 2025 eine Ära. Doch was passiert mit den beiden Orcas Wikie und ihrem Sohn Keijo, die ihr ganzes Leben in Gefangenschaft verbracht haben? Ihre Zukunft ist ungewiss – und heftig umstritten.
Ein Leben in Gefangenschaft: Kein Zurück in die Freiheit
Die Orcas Wikie und Keijo wurden in Gefangenschaft geboren. Sie sind an Menschen gewöhnt, abhängig von ihnen, und könnten in der freien Natur nicht überleben. Ein Leben in Freiheit, so romantisch es klingt, ist keine realistische Option. Gleichzeitig wächst die Kritik an einer erneuten Verlegung in andere Delphinarien, wie etwa den vorgeschlagenen Loro Parque auf Teneriffa.
Für Muriel Arnal, Präsidentin der Tierschutzorganisation One Voice, wäre dies keine Lösung, sondern ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. „Das würde sie langsam umbringen“, erklärt sie. Der Stress der Gefangenschaft führe bei Orcas langfristig zu Krankheiten und einem frühen Tod. Zwei Orcas in Marineland sind bereits 2023 und 2024 unter tragischen Umständen gestorben – eine traurige Bilanz, die nach Veränderung schreit.
Die Forderung: Ein Schutzgebiet statt Delphinarien
One Voice plädiert vehement für ein alternatives Konzept: die Einrichtung von Schutzgebieten. Ein solches Refugium könnte es Wikie und Keijo ermöglichen, in einer geschützten Meeresbucht unter menschenfreundlichen Bedingungen zu leben – ohne die Enge von Becken und die Belastung durch Shows.
Ein vielversprechender Vorschlag ist ein geplanter Orca-Schutzraum in Nova Scotia, Kanada, in der Nähe des Geburtsortes von Wikies Eltern. Diese Lösung hätte nicht nur symbolische Bedeutung, sondern würde auch Mutter und Sohn die Möglichkeit geben, weiterhin zusammenzubleiben. „Die indigenen Gemeinschaften vor Ort unterstützen die Idee und warten auf Wikie und Keijo“, betont Muriel Arnal. Was fehlt, ist der politische Wille, diese Vision umzusetzen.
Die Verantwortung der Politik
Die Schließung von Marineland ist auch eine Bewährungsprobe für Frankreichs Engagement im Tierschutz. Die 2021 verabschiedete Tierschutzgesetzgebung versprach, Alternativen für Meeressäuger in Gefangenschaft zu schaffen – doch konkrete Ergebnisse fehlen bisher. Muriel Arnal fordert von Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher klare Entscheidungen: „Gehen Sie den Weg zu Ende! Arbeiten wir zusammen an echten Lösungen.“
Der Druck auf die Regierung wächst, insbesondere da Frankreich mit der Schließung von Marineland ein Zeichen setzen könnte. Ein aktives Engagement für Schutzgebiete würde nicht nur die Lebensbedingungen von Wikie und Keijo verbessern, sondern auch Frankreichs Ruf als Vorreiter im Tierschutz stärken.
Die ethische Debatte: Mehr als nur Orcas
Die Diskussion um Wikie und Keijo steht symbolisch für eine größere Debatte: Wie wollen wir mit Tieren in Gefangenschaft umgehen? Tierparks und Aquarien haben jahrzehntelang auf Unterhaltung gesetzt – oft auf Kosten des Wohlbefindens der Tiere. Doch die Gesellschaft hinterfragt diese Praktiken zunehmend.
Für viele Tierschützer ist die Schließung von Marineland ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht es, einfach die Tore zu schließen? Die Frage, was mit den Tieren passiert, bleibt – und sie zeigt, dass wir nicht nur Verantwortung übernehmen müssen, sondern auch mutige Entscheidungen treffen sollten.
Wohin führt der Weg für Wikie und Keijo?
Während die Diskussionen weitergehen, läuft die Zeit für die beiden Orcas. Ein Leben in einem anderen Delphinarium würde ihre Isolation und den Stress der Gefangenschaft verlängern. Ein Schutzgebiet könnte ihnen dagegen eine Art von Freiheit zurückgeben – eine, die an ihre besonderen Bedürfnisse angepasst ist.
Die Schicksale von Wikie und Keijo könnten einen Präzedenzfall schaffen. Sie fordern uns auf, neue Wege im Umgang mit Wildtieren zu gehen. Wird Frankreich den Mut haben, diese Herausforderung anzunehmen? Oder bleibt alles beim Alten – nur mit einem anderen Schauplatz?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!