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Die französisch-iranische Künstlerin und Filmemacherin Marjane Satrapi hat mit ihrer Entscheidung, die prestigeträchtige Légion d’honneur abzulehnen, ein starkes politisches Signal gesendet. In einem offenen Brief an die französische Kulturministerin bezeichnete sie die Haltung Frankreichs gegenüber Iran als „heuchlerisch“ und kritisierte insbesondere den Umgang mit iranischen Dissidenten und die Visa-Politik des Landes.

Diese Entscheidung ist mehr als ein persönlicher Akt – sie ist ein Aufruf zur Solidarität mit den Iranern, insbesondere mit den Frauen und der Jugend, die seit Jahren für Freiheit und Gleichheit kämpfen.


Ein Leben zwischen zwei Welten

Marjane Satrapi, die mit ihrer Graphic Novel Persepolis und der gleichnamigen Verfilmung weltberühmt wurde, ist eine Symbolfigur für den Kampf gegen Unterdrückung und für die Freiheit der Meinungsäußerung. 1994 floh sie aus Iran nach Frankreich, wo sie später eingebürgert wurde. Doch trotz ihres erfolgreichen Lebens in der Diaspora hat sie nie den Kontakt zu ihrem Geburtsland verloren.

Im Juli 2023 wurde Satrapi zur Chevalière der Légion d’honneur ernannt – eine Auszeichnung, die für viele eine der höchsten Ehrungen Frankreichs darstellt. Ihre Weigerung, diese Anerkennung anzunehmen, wirft nun ein Schlaglicht auf eine tiefere Problematik: den Umgang Frankreichs mit Iran und die Diskrepanz zwischen Symbolik und tatsächlichem Handeln.


„Heuchelei“ und die Kritik an Frankreichs Iran-Politik

In ihrem offenen Brief betonte Satrapi, dass ihr Schritt nicht aus Geringschätzung für die Institution der Légion d’honneur resultiere, sondern aus ihrer Enttäuschung über die Haltung Frankreichs gegenüber Iran. Sie kritisierte, dass es iranischen Regimekritikern, Künstlern und Freiheitskämpfern oft unmöglich gemacht werde, Visa für Frankreich zu erhalten, während die Kinder iranischer Oligarchen ungehindert zwischen Paris und Saint-Tropez reisen könnten.

„Seit einiger Zeit fällt es mir schwer, die Politik Frankreichs gegenüber Iran zu verstehen“, sagte Satrapi in einer Videobotschaft. Sie verwies auf die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen und bezeichnete symbolische Gesten, wie das Posieren mit Fotos von Opfern oder Aktivisten, als unzureichend. Der Verweis auf Mahsa Amini, deren Tod 2022 eine Welle von Protesten in Iran ausgelöst hatte, zeigt, wie tief die Verbundenheit der Künstlerin mit den Anliegen ihrer Landsleute ist.

Die politische Dimension: Symbolik versus Taten

Die Ablehnung der Légion d’honneur durch Satrapi ist auch ein Kommentar zur globalen Politik. Sie macht deutlich, dass Solidarität nicht nur durch Worte oder Ehrungen ausgedrückt werden kann, sondern durch konkrete Unterstützung und Maßnahmen. Die Probleme, die sie anspricht – von der restriktiven Visa-Politik bis zur Gleichgültigkeit gegenüber iranischen Freiheitskämpfern – sind nicht nur französische Herausforderungen, sondern symptomatisch für den Umgang vieler westlicher Länder mit autoritären Regimen.

Die iranische Revolution der Frauen ist ein Beispiel für mutigen Widerstand gegen ein repressives System. Doch Satrapi weist darauf hin, dass diese Bewegung mehr als bloße Lippenbekenntnisse verdient. „Iraner brauchen keine Kommunikation, sondern Taten“, sagte sie unmissverständlich.


Ein Signal der Hoffnung und des Widerstands

Indem sie die Légion d’honneur ablehnt, will Satrapi nicht nur Aufmerksamkeit auf die Missstände lenken, sondern auch ein Zeichen der Hoffnung setzen. Sie stellt klar, dass sie Frankreich liebt und stolz darauf ist, Teil dieses Landes zu sein. Doch ihre Loyalität gilt ebenso den Menschen in Iran, die sie als ihre Landsleute und Mitstreiter für die Freiheit betrachtet.

„Ich werde diese Ehre annehmen, wenn alle Verteidiger der Freiheit an meiner Seite geehrt werden“, erklärte sie. Dieser Satz fasst zusammen, worum es ihr wirklich geht: nicht um persönliche Anerkennung, sondern um Solidarität und Gerechtigkeit.


Fazit: Ein Weckruf für die internationale Gemeinschaft

Marjane Satrapis mutige Entscheidung ist ein Weckruf – an Frankreich, an die internationale Gemeinschaft und an alle, die an den Werten der Freiheit und Menschenrechte festhalten. Ihre Worte erinnern uns daran, dass Symbolik allein nicht ausreicht, um echte Veränderungen zu bewirken.

Der Kampf für die Rechte der Frauen und der Jugend in Iran ist noch lange nicht vorbei. Und Marjane Satrapi zeigt mit ihrem Beispiel, dass es manchmal mehr Mut braucht, eine Auszeichnung abzulehnen, als sie anzunehmen.


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