Tag & Nacht




Was sich gerade in Menton abspielt, könnte man glatt als kleine Revolution bezeichnen. Einst exklusive Privatstrände, nun wieder zugänglich für alle – das weckt Erinnerungen an alte Zeiten, in denen das Mittelmeer nicht nur denjenigen gehörte, die sich eine Liege leisten konnten.

Ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden Folgen

Jahrelang war die Côte d’Azur ein Flickenteppich aus frei zugänglichen und privaten Strandabschnitten. In Menton, ganz im Osten der französischen Riviera, ändert sich dieses Bild nun dramatisch. Gerichtsentscheidungen haben dafür gesorgt, dass viele private Strandkonzessionen nicht verlängert wurden. Nur drei Privatstrände bleiben diesen Sommer noch übrig.

Diese Entscheidung ist nicht zufällig gefallen. Sie steht im Zusammenhang mit einem größeren, landesweiten Trend: dem Bestreben, die französische Küste wieder stärker für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Ein mutiger Schritt – und wie so oft sorgt er für unterschiedliche Meinungen.

Begeisterung bei vielen, Frust bei manchen

Die Reaktionen der Menschen in Menton? Ein wahres Wechselbad der Gefühle.

Einheimische, Familien, Tagesausflügler und Budget-Touristen sind aus dem Häuschen. Endlich barrierefreier Zugang zum Meer fast überall – ohne Eintritt, ohne teure Miete für Sonnenliegen, ohne Reservierungen. Das Meer gehört wieder allen. Punkt.

Anders sieht das bei Stammgästen der Privatstrände aus. Einige von ihnen fühlen sich um ihre gewohnte Ruhe, den Komfort von Bedienung am Platz und den stets perfekten Sonnenschirm betrogen. „Das Flair ist weg“, hört man von manchen. Klingt fast ein bisschen wehmütig.

Und was ist mit den Betreibern der ehemaligen Privatstrände? Für sie ist die Umstellung eine handfeste wirtschaftliche Herausforderung. Viele mussten ihre Unternehmen aufgeben, Angestellte entlassen und sich komplett neu orientieren.

Die Umwelt atmet auf

Zwischen all den Emotionen gibt es aber auch eine leise, grüne Stimme: die der Natur.

Die Rückführung der Strände in die öffentliche Hand wird von Umweltschützern begrüßt. Weniger intensive Nutzung durch kommerzielle Anbieter bedeutet auch weniger Druck auf fragile Küstenökosysteme. Versiegelte Flächen werden reduziert, natürliche Sandstrände können sich besser regenerieren, und Müllberge von Champagnerpartys gehören vielleicht bald der Vergangenheit an.

Nachhaltiger Tourismus rückt damit stärker in den Fokus – ein Thema, das in Zeiten von Klimawandel und Overtourism nicht mehr ignoriert werden kann.

Neue Chancen, neue Wege

Natürlich bleibt eine Frage im Raum: Wie gelingt es, den Mittelweg zwischen Offenheit und Ordnung zu finden?

Denn auch offene Strände brauchen Pflege, Infrastruktur, Sicherheit. Wer sorgt für Toiletten, Rettungsschwimmer, Müllentsorgung? Hier ist die Stadt gefordert, vielleicht auch das Engagement der Bürger gefragt. Denkbar sind neue Konzepte – von ehrenamtlicher Strandwache bis hin zu gemeinnützigen Cafés oder lokalen Kooperativen.

Und wer sagt eigentlich, dass Luxus und Öffentlichkeit sich ausschließen? Vielleicht entsteht ja ein ganz neuer Stil: charmant, gemeinschaftlich, dennoch stilvoll.

Menton als Vorbild?

Manche sehen in Menton ein Vorbild für die Küste von morgen. Andere blicken skeptisch auf mögliche Konflikte, etwa durch überfüllte Strände oder unzureichende Organisation. Beides ist denkbar – beides ist möglich.

Aber eines ist sicher: Die Küste lebt, verändert sich, reflektiert gesellschaftliche Werte. Die Entscheidung in Menton ist nicht nur eine verwaltungsrechtliche – sie ist ein kleines kulturelles Statement.

Wer weiß, vielleicht erinnern wir uns in ein paar Jahren an diesen Sommer als den Anfang eines neuen, freieren Umgangs mit unseren Naturressourcen. Und vielleicht fragen sich dann mehr Menschen: Wem gehört das Meer wirklich?

Von C. Hatty

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!