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Paris, Oktober 2025 – Er war klein, rechteckig und oft zerknittert: das berühmte Métro-Ticket aus Karton. Jahrzehntelang war es das Eintrittstor in die Pariser Unterwelt – jetzt verschwindet es. Ab April 2025 hat die Region Île-de-France eine schrittweise Abschaffung eingeleitet, die bis Ende des Jahres vollzogen sein soll. Stattdessen gilt: Wer in Paris Bus, Tram oder Métro fährt, nutzt künftig digitale Fahrscheine, geladen und validiert per Smartphone oder über eine kontaktlose Karte.

Ein Abschied mit Ansage

Neu ist die Idee nicht. Schon seit Jahren können Fahrgäste ihr Navigo-Abo oder Einzeltickets über die App von Île-de-France Mobilités direkt auf dem Handy speichern. Aber nun geht es ans Eingemachte: Am 8. April 2025 begann die systematische Abschaltung des Papierfahrscheins in 142 Bahnhöfen und Stationen. In Bussen und Straßenbahnen verschwindet er noch schneller.

Das Ticket t+ – Symbol der Pariser Alltagsmobilität – wird seit Ende September 2025 gar nicht mehr verkauft. Wer noch Restbestände besitzt, darf diese lediglich bis zum 31. Dezember nutzen. Dann ist endgültig Schluss mit dem kleinen Karton, der Generationen von Pendlern begleitet hat.

Wie funktioniert das neue System?

Die digitale Billettwelt in Paris ruht auf mehreren Säulen:

  • Smartphone als Fahrkarte
    Über die App Île-de-France Mobilités oder Partner-Apps wie Bonjour RATP kaufen und speichern Fahrgäste ihre Fahrscheine. NFC macht das Handy oder sogar eine Smartwatch zum Drehkreuz-Schlüssel. Ein spannendes Detail: Manche Telefone lassen sich auch im ausgeschalteten Zustand validieren. Besonders praktisch ist der Navigo Liberté+, der erst am Monatsende die tatsächlich gefahrenen Strecken abrechnet.
  • Navigo Easy & Co.
    Wer das Handy nicht nutzen möchte, kann auf kontaktlose Karten zurückgreifen. Die Navigo Easy etwa wird mit Tickets für Metro, Zug oder Tram aufgeladen und klassisch vor das Lesegerät gehalten.
  • Ticket per SMS
    Im Bus reicht sogar eine Kurznachricht: Einfach „Bus“ plus Liniennummer verschicken, und das digitale Ticket landet als SMS aufs Handy – ein unkomplizierter Notnagel für alle, die gerade kein gültiges Ticket zur Hand haben.
  • Neue Tarife
    Parallel zur Abschaffung des Papierformats wurden die Preise vereinfacht: Seit Januar 2025 gibt es nur noch zwei Grundtickets – 2,50 € für Metro, Zug und RER, 2,00 € für Bus und Tram. Alles digital, alles flexibel, auch für Gelegenheitsnutzer.

Chancen und Tücken

Auf der Habenseite steht eine klare Bilanz: Weniger Müll, kein Gedränge mehr an Automaten, schnellere Abläufe. Der Schritt wirkt fast wie ein symbolischer Ritterschlag für das digitale Paris. Behörden versprechen sich zudem eine bessere Kontrolle gegen Schwarzfahrer.

Doch der Fortschritt wirft auch Fragen auf.

Was passiert, wenn das Handy keinen Saft mehr hat? Zwar funktionieren einige Modelle dank spezieller NFC-Chips selbst im ausgeschalteten Zustand – aber längst nicht alle. Und mal ehrlich: Wer ist noch nie mit leerem Akku in der Tasche unterwegs gewesen?

Auch das Thema digitale Ungleichheit schwingt mit. Nicht jede ältere Person besitzt ein Smartphone, nicht jeder Tourist will sich erst durch Apps kämpfen. Hier werden die physischen Alternativen wie Navigo-Karten entscheidend sein, damit niemand vom Zugang ausgeschlossen wird.

Hinzu kommt die Übergangsphase: Noch bis Ende 2025 zirkulieren Restbestände des alten Tickets. Parallel existieren Smartphone-Lösungen, Karten und SMS-Tickets – ein kleiner Dschungel an Optionen, in dem man sich schnell verirren kann.

Und schließlich die Frage nach Daten und Sicherheit. Wer digital reist, hinterlässt digitale Spuren. Bewegungsprofile sind theoretisch möglich. Datenschützer mahnen deshalb klare Regeln und Transparenz an.

Mehr als ein Fahrschein

Der Abschied vom Papierticket ist mehr als ein technisches Update. Er symbolisiert einen Wendepunkt: Die französische Hauptstadt verabschiedet sich von einem Stück Alltagskultur und macht den öffentlichen Verkehr endgültig zum digitalen Service.

Damit das gelingt, müssen die Betreiber aber eines beweisen: dass die neuen Systeme robust, inklusiv und verlässlich sind. Ein digitaler Fahrschein, der nicht funktioniert, ist irgendwie schlimmer als ein verlorenes Stück Karton.

Das Smartphone soll zum Generalschlüssel der Mobilität werden. Ob es wirklich jeder nutzen kann – und will –, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Autor: Andreas M. Brucker

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