13 Tage. Über 1.400 Kilometer. Wind, Regen, Müdigkeit – und trotzdem: ein Ziel vor Augen. Als am 15. April 2025 rund 80 serbische Studierende auf dem Straßburger Platz der Republik einrollten, ging ein leiser Ruck durch die Menge. Nicht wegen ihrer sportlichen Leistung. Sondern wegen dessen, was sie verkörpern: Hoffnung. Wut. Entschlossenheit.
Diese Tour war keine Radtour der Extraklasse – sie war ein Protest mit Pedalen. Ein Aufschrei auf zwei Rädern gegen ein System, das versagt hat. Der Anlass? Der Einsturz eines frisch renovierten Bahnhofsvordachs in Novi Sad im November 2024, bei dem 16 Menschen starben. Ein Desaster, das die Mängel eines durch Korruption zerfressenen Staatswesens schmerzhaft sichtbar machte. Doch das eigentliche Erdbeben kam erst danach – mit dem Schweigen der Behörden.
„Wenn die Regierung uns nicht zuhört, dann fahren wir eben dorthin, wo man gehört wird.“ Mit diesem Satz beschrieb eine der Organisatorinnen den Antrieb der jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Und sie meinten es ernst.
Startpunkt: Novi Sad. Ziel: das Herz Europas – Straßburg. Die Route führte sie durch fünf Länder, über Grenzen und viele Höhenmeter hinweg. Jeden Tag 100 bis 150 Kilometer. Die serbische Diaspora in Budapest, Wien und München empfing sie auf den Zwischenstationen wie Heldinnen und Helden – mit heißen Suppen, offenen Armen und vielen Tränen. Denn was diese jungen Menschen taten, war mehr als ein politisches Statement. Es war ein Ruf nach Gerechtigkeit, getragen vom Vertrauen in die europäische Idee.
Die Studierenden fordern nicht weniger als einen Wandel – konkret: Gerechtigkeit für die Opfer, ein Ende der Repression, mehr Investitionen in Bildung und transparente Bauprojekte. Und vor allem: dass Europa endlich hinschaut. Denn genau das, so ihre Kritik, passiert bisher viel zu selten.
In Straßburg angekommen, wurden sie von einer breiten Unterstützungswelle empfangen. Hunderte Menschen, darunter Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Aktivist:innen und Unterstützer, begrüßten die Radgruppe. Ein paar Abgeordnete signalisierten sogar ihre Bereitschaft, sich mit den Studierenden persönlich zu treffen. Ob daraus Taten folgen? Das bleibt offen.
Aber was diese Aktion schon jetzt erreicht hat, ist bemerkenswert: Sie hat ein Licht auf ein Land geworfen, das zwar geografisch in Europa liegt, aber politisch oft in der Grauzone zwischen Versprechen und Realität hängt. Serbien, ein EU-Beitrittskandidat – und doch so weit entfernt von den Werten, für die Europa steht.
Die Botschaft der Studierenden ist klar: Demokratie ist kein abstrakter Begriff, sondern ein täglicher Kampf. Und manchmal braucht es eben keine Flugblätter oder lauten Reden – sondern 80 Fahrräder, Ausdauer und den Willen, sich nicht mit Missständen abzufinden.
Vielleicht fragen sich jetzt manche in Brüssel, Straßburg oder Berlin: Was können wir tun? Die Antwort ist einfach – zuhören. Und handeln. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Nicht abstrakt, sondern konkret.
Denn wenn junge Menschen aus Serbien bereit sind, alles zu geben, um gehört zu werden – dann ist es verdammt nochmal Zeit, hinzuhören.
Andreas M. B.
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