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Frankreichs Landwirte sind alarmiert – ab Montag rufen sie zu einem erneuten landesweiten Protest auf. Anlass der Mobilisierung ist die mögliche Unterzeichnung eines Handelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, das massive Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft haben könnte. In einer Zeit, in der viele Bauern bereits finanzielle Engpässe erleben, droht das Abkommen, ihre Existenz zusätzlich zu gefährden.

Aufruf zum Protest im ganzen Land

Arnaud Rousseau, Präsident des französischen Bauernverbands FNSEA, und Pierrick Horel, Chef des Verbands der jungen Landwirte, stehen an der Spitze dieser Protestbewegung. Sie haben eine klare Botschaft: Die Regierung und die europäische Öffentlichkeit müssen die Bedenken der Landwirte ernst nehmen. „Wir werden ab Montag in jedem Département präsent sein – auch auf den großen Verkehrsachsen und an den Kreisverkehren in Europa, um auf die Widersprüche in der EU-Handelspolitik hinzuweisen,“ erklärte Horel entschlossen.

Während die Landwirte in der Vergangenheit Autobahnen blockiert haben, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, soll es diesmal eine etwas mildere, aber gut sichtbare Aktion werden. „Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger nicht als Geiseln nehmen“, betont Horel, sondern Aufmerksamkeit schaffen und Unterstützung einfordern.

Ein Abkommen – viele Sorgen

Der Widerstand gegen das geplante Mercosur-Abkommen ist kein neues Phänomen. Seit Jahrzehnten gibt es Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Ländern (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay). Ein Entwurf des Abkommens liegt seit 2019 vor, wurde jedoch nie ratifiziert. Die derzeitigen Verhandlungen sehen einen jährlichen Import von 90.000 bis 100.000 Tonnen Rindfleisch aus Südamerika vor – eine Bedrohung für die französische Landwirtschaft, deren Standards in puncto Umweltschutz, Tierschutz und Produktqualität deutlich höher liegen.

Die französische Regierung unter Präsident Emmanuel Macron hat mehrfach erklärt, das Abkommen „in der jetzigen Form“ nicht unterstützen zu wollen. Doch Brüssel zeigt sich zunehmend entschlossen, es noch bis Ende des Jahres zu ratifizieren. Für Frankreichs Landwirte, die bereits unter Preisverfall und hohen Produktionskosten leiden, wäre dies ein harter Schlag.

Warum die EU als „Einfallstor“ für ausländische Produkte kritisiert wird

Für die Landwirte steht nicht nur die wirtschaftliche Konkurrenz auf dem Spiel. Das Mercosur-Abkommen symbolisiert für viele die vermeintliche Schwäche der EU, Standards konsequent zu verteidigen. Arnaud Rousseau betont, dass die EU in ihren eigenen Richtlinien hohe Standards an Lebensmittelsicherheit und Umweltverträglichkeit vorschreibt, diese jedoch beim Import von Produkten aus anderen Teilen der Welt scheinbar ignoriert. „Europa darf kein Einfallstor für Produkte sein, die unseren Standards nicht gerecht werden“, fordert Rousseau.

Die Kritik kommt nicht von ungefähr. So gelten in vielen südamerikanischen Ländern niedrigere Anforderungen an Umwelt- und Tierschutz, und Pestizide, die in der EU längst verboten sind, werden dort noch verwendet. Produkte, die unter solchen Bedingungen entstehen, sind in der Regel kostengünstiger und gefährden durch Preisunterbietung die Existenz europäischer Bauern. Ist das fair?

Ein europaweites Anliegen

Die FNSEA und der Verband der jungen Landwirte wollen nicht allein auf nationaler Ebene protestieren. Rousseau und Horel setzen darauf, dass sich Landwirte aus ganz Europa ihrer Bewegung anschließen. Ziel ist, dass die EU-Kommission den Widerstand der europäischen Landwirtschaft nicht ignorieren kann. „Diese Mobilisierung soll die Frustration und Verzweiflung unserer Landwirte ausdrücken“, sagt Horel. Tatsächlich scheint die Lage kritisch – eine europäische Einheitsfront der Landwirte könnte den Druck auf die EU erhöhen, die Forderungen nach faireren Importstandards ernst zu nehmen.

Perspektiven und Forderungen

Die Landwirtschaft in Europa befindet sich in einem tiefen Strukturwandel. Die Herausforderungen durch den Klimawandel, die steigenden Anforderungen an Umweltstandards und der Druck durch den internationalen Wettbewerb – all das lastet schwer auf den Schultern der Landwirte. Der Widerstand gegen das Mercosur-Abkommen ist daher mehr als nur ein symbolischer Akt; er ist ein Appell an die Politik, die Interessen der heimischen Landwirtschaft stärker zu schützen.

Die Aktionen der Landwirte sollen noch detaillierter vorgestellt werden, und es ist zu erwarten, dass es keine Einzelaktionen bleiben werden. Das Timing, kurz vor dem G20-Gipfel in Brasilien, ist gezielt gewählt, um das Thema auch auf internationaler Ebene sichtbar zu machen.

Es bleibt abzuwarten, wie stark die Mobilisierung tatsächlich wird und ob die Proteste in Paris und Brüssel Gehör finden. Für die Landwirte geht es um weit mehr als nur um wirtschaftliche Sicherheit – sie kämpfen für die Anerkennung und den Schutz ihres Berufsstandes, ihrer Kultur und ihres Lebensmodells.


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