Die französische Alpenregion, besonders das kleine Hameau La Bérarde, erlebt derzeit eine schwierige Zeit. Das Dorf, das als „Mekka des Alpinismus“ bekannt ist, wurde von verheerenden Unwettern im Juni stark getroffen. Innerhalb weniger Stunden verwandelte sich das beschauliche Bergdorf in eine von Schlamm und Felsbrocken übersäte Landschaft – ein Anblick, der einem den Atem stocken lässt. Was bedeutet das für die Zukunft dieses kleinen Ortes, der für viele Wanderer und Bergsteiger ein Traumziel darstellte?
Ein ruhiger Ort, der plötzlich zum Krisengebiet wird
La Bérarde liegt auf 1.700 Metern Höhe, umgeben von der beeindruckenden Kulisse des Nationalparks Écrins. Doch in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2024 änderte sich hier alles. Nach heftigen Regenfällen trat der Torrent des Étançons über die Ufer und riss alles mit sich, was ihm in den Weg kam. Über 14 Meter hoch türmte sich die zerstörerische Masse aus Schlamm und Gestein auf. Obwohl glücklicherweise niemand ums Leben kam, mussten über 100 Menschen evakuiert werden. Seitdem ist der Ort wie ausgestorben.
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Ein Dorf am Scheideweg
Zwei Monate nach der Katastrophe bleibt La Bérarde menschenleer. Bénédicte Schuller, die Hüttenwirtin eines beliebten Refugiums, sieht keine Hoffnung auf schnelle Besserung. Ihr Chalet steht unter Wasser – ein Symbol für die Zerstörung und den Verlust, die das Dorf erlitten hat. „Die Saison ist vorbei, das Geschäft ruht“, erklärt sie mit resignierter Stimme. Auch Jean-Louis Arthaud, Bürgermeister von Saint-Christophe-en-Oisans, sieht düstere Zeiten voraus. Der Fokus liegt nun auf der Sicherung des Dorfes, um eine weitere Katastrophe zu verhindern. „Wir arbeiten daran, dem Torrent wieder ein festes Bett zu geben – wir können es uns nicht leisten, dass er bei einem weiteren Unwetter wieder über die Ufer tritt“, betont Arthaud.
Langwierige und unsichere Wiederaufbauarbeiten
Die Zerstörung hat auch die Infrastruktur erheblich beschädigt. Die Departementstraße 530, die als Hauptverbindung diente, ist immer noch unpassierbar. Die Arbeiten könnten noch drei weitere Monate andauern – eine lange Zeit für die Bewohner, die auf den Zugang zu ihrem Dorf warten. Doch selbst wenn die Straßen wieder befahrbar sind, bleibt die Zukunft von La Bérarde ungewiss. „Wir wollen wieder aufbauen, aber es gibt Bereiche, die wir nicht mehr bebauen können, da sich das Landschaftsbild stark verändert hat“, erläutert Bürgermeister Arthaud.
Die Frage stellt sich also: Wie soll die Zukunft dieses Ortes aussehen? Die landschaftliche Veränderung ist so gravierend, dass eine Rückkehr zur alten Normalität kaum möglich scheint.
Ein Verlust für den Tourismus – und eine Chance?
La Bérarde ist nicht nur ein beliebtes Ziel für Wanderer und Bergsteiger, sondern auch ein wichtiger Zugangspunkt zum Nationalpark Écrins, einem der Juwelen der französischen Alpen. Die Auswirkungen der Naturkatastrophe auf den Tourismus sind spürbar: Besucher weichen auf andere Regionen wie La Grave oder Vallouise aus – mit gemischten Folgen. „Es ist nicht unbedingt gut, alle Besucher auf dieselben Wege zu schicken. Überlastung kann auch in anderen Teilen des Parks Probleme verursachen“, warnt Arnaud Murgia, der Präsident des Nationalparks.
Doch wo Schatten ist, gibt es auch Licht. Die Katastrophe könnte ein Anstoß sein, um den Tourismus in der Region nachhaltiger zu gestalten. Der Präsident des Parks fordert einen dauerhaften Fonds, der den Nationalparks hilft, mit solchen Herausforderungen umzugehen. Denn La Bérarde ist nicht nur ein beliebtes Reiseziel – es ist ein Symbol für die Wildheit und Schönheit der Alpen, die es zu bewahren gilt.
Solidarität und Hoffnung
Inmitten der Zerstörung gibt es aber auch Zeichen der Hoffnung. Eine Online-Spendenaktion für den Wiederaufbau des Dorfes brachte bereits über 88.000 Euro ein. Diese Solidarität zeigt, dass La Bérarde nicht allein ist. Doch Geld allein wird nicht ausreichen – es bedarf auch eines klaren Plans und der Entschlossenheit, diesen Ort neu zu erfinden.
La Bérarde steht an einem Scheideweg. Die nächsten Monate werden entscheiden, ob und wie das Dorf sich von dieser Katastrophe erholen kann. Sicher ist nur: Die Natur gibt hier den Takt vor – und wir können nur versuchen, mit ihr im Einklang zu leben. Die Bérarde wird möglicherweise nie wieder so sein wie früher, aber vielleicht findet sie einen neuen Weg, ihre Schönheit und Bedeutung in einer sich wandelnden Welt zu bewahren.
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