Tag & Nacht

In der beschaulichen Gemeinde Le Beausset im Var haben zehn mutige Kleinhändler einen ungewöhnlichen Weg gewählt, um auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage aufmerksam zu machen: Sie ließen die Hüllen fallen und posierten nackt für einen Kalender. Mit Humor und einer Prise Provokation wollen sie die Blicke auf ihre Läden lenken – und auf die Realität, die viele kleine Geschäfte in Frankreich trifft.

Mutige Aktion gegen schwindende Kundschaft

Mitten im Shooting steht Alexandre Cornet, ein junger Metzger und Charcutier, vor der Kamera – nackt, nur mit einem Stück Fleisch bedeckt. „Allez, regarde-moi!“, ruft der Fotograf. Cornet lächelt tapfer, und der Blitz löst aus.

Warum dieser Schritt? „Die Leute gehen nicht mehr zu den kleinen Händlern“, erklärt Cornet. „Sie kaufen beim Supermarkt, weil es billiger ist.“ Eine Entwicklung, die nicht nur ihn betrifft: Insgesamt zehn Ladenbesitzer aus dem Zentrum von Le Beausset – von der Bäckerin bis zum Restaurantbetreiber – haben sich für diesen Kalender fotografieren lassen.

David gegen Goliath: Kampf gegen die großen Ketten

Die Konkurrenz durch Super- und Hypermärkte ist eine Herausforderung, der viele Kleinhändler in Frankreich gegenüberstehen. Eine INSEE-Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass die Expansion großer Handelsketten in ländlichen Gegenden oft zum Rückgang lokaler Geschäfte führt. Auch Céline Massal, eine Geographieprofessorin, beschreibt in einer Publikation, wie die Dominanz der großen Märkte kleine Händler verdrängt.

„In den Supermärkten ist die Qualität geringer“, sagt Cornet. „Wir sind hier, um das Niveau zu heben.“ Doch Qualität allein reicht oft nicht, um Kunden zurückzugewinnen, die auf günstigere Preise setzen – besonders in wirtschaftlich angespannten Zeiten.

Ein Restaurantpaar zieht blank

Nicht nur Cornet, sondern auch Vincent Fournet und seine Frau, die ein kleines Restaurant führen, haben sich für den Kalender ablichten lassen. Vincent versteckt sich hinter einem riesigen Käselaib, seine Frau bedeckt sich mit zwei Suppenkellen. Ihre Botschaft ist klar: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“

Das Paar berichtet von sinkenden Umsätzen – allein im Sommer gingen Tausende Euro verloren. Die Gründe? Neben der Konkurrenz durch größere Betriebe sehen sie auch Versäumnisse auf kommunaler Ebene. Fournet kritisiert die Ansiedlung von Banken und Büros im Stadtzentrum: „Solche Gewerbe ziehen keine Kundschaft an.“

Ein Kalender mit Hoffnung auf Veränderung

Die Fotos sollen nun in Kalenderform veröffentlicht werden – eine Taktik, die schon Rugbyspieler erfolgreich nutzten, um Aufmerksamkeit zu generieren. Verbreitet über soziale Netzwerke und lokale Kanäle, erhoffen sich die Händler, wieder mehr Menschen in ihre Geschäfte zu locken.

Doch wird dieser Akt des Widerstands ausreichen?

Die Realität der Kleinhändler in Frankreich

Das, was in Le Beausset passiert, ist ein Abbild einer landesweiten Entwicklung. Während immer mehr Konsumenten ihre Einkäufe in großen Märkten erledigen oder online bestellen, kämpfen viele lokale Händler ums Überleben. Ihre Läden sind nicht nur Orte des Handels, sondern oft auch soziale Treffpunkte, die die Identität und den Charakter einer Gemeinde prägen.

Die Aktion der Händler ist ein verzweifelter, aber zugleich kreativer Versuch, diesem Verlust entgegenzuwirken. Sie erinnert uns daran, dass hinter jeder Ladentheke Menschen stehen, die für ihre Existenz kämpfen – und die einen großen Unterschied machen, wenn wir uns entscheiden, lokal statt billig zu kaufen.

Also: Wann warst du das letzte Mal beim Metzger oder im kleinen Café um die Ecke? Vielleicht ist jetzt genau der richtige Moment, um einen Unterschied zu machen.


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