Die Klänge der Nationalhymnen, das Schweigen von Tausenden und der Wind, der über die Klippen von Colleville-sur-Mer streicht – der 6. Juni 2025 war mehr als nur eine Gedenkveranstaltung. Es war ein stilles Versprechen an die Vergangenheit, das sich Jahr für Jahr wiederholt: Wir vergessen euch nicht.
Vor der Kulisse des amerikanischen Soldatenfriedhofs, direkt oberhalb von Omaha Beach, ehrten Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und sein US-amerikanischer Amtskollege Pete Hegseth die Gefallenen der Operation Overlord. Der 81. Jahrestag der Landung in der Normandie wurde zu einem emotionalen Ereignis, das die Herzen der Anwesenden berührte – und weit darüber hinaus.
„Männer mit außergewöhnlichem Mut“
9.387 weiße Kreuze. Jedes steht für ein Leben, für eine Geschichte – für einen mutigen Schritt in Richtung Freiheit. Lecornu fand klare Worte: Es seien „gewöhnliche Männer mit außergewöhnlichem Mut“ gewesen, die Frankreich aus der Umklammerung des Naziterrors befreit hätten. Seite an Seite mit den Alliierten, mit der Résistance und der Roten Armee.
Pete Hegseth knüpfte daran an: Der Einsatz dieser Soldaten sei kein Opfer gewesen, sondern ein Vermächtnis. „Sie kämpften, damit unsere Kinder und Enkel es nicht müssen“, betonte er. Und schob hinterher: Auch heute müssten Frankreich und die USA gemeinsam gegen Bedrohungen der Freiheit stehen – nicht mit Waffen allein, sondern mit Haltung.
Ein Moment, der unter die Haut ging
Die Atmosphäre war feierlich und ergreifend. Eine Ehrenformation spielte die Hymnen, eine Trompete blies die „Sonnerie aux Morts“. Dann: eine Gedenkminute. Niemand sprach. Niemand musste es. Die Stille sagte alles.
Blumen wurden niedergelegt, unter anderem am Denkmal für die Schlacht um die Normandie. Einer der berührendsten Momente war zweifellos der Auftritt von Wilbur „Jack“ Myers. Der Veteran, einst Kanonier auf einem Sherman-Panzer, war wenige Tage nach dem D-Day in Frankreich angekommen. Mit glitzernden Augen und fester Stimme sagte er: „Ich bin sehr glücklich, heute hier zu sein.“ Und er ließ es sich nicht nehmen, eine Botschaft zu senden: Liebe und Brüderlichkeit – das seien die Lehren dieses Tages.
Gegen das Vergessen
Doch eine Frage stellt sich immer drängender: Wie lange leben noch Zeitzeugen wie Jack Myers? Und wie können ihre Geschichten weitergetragen werden?
Ein Ansatz ist „L’Hommage aux héros“ – ein neues Projekt in den Départements Calvados und Manche, das Geschichte erlebbar machen will. Es soll ein immersiver Gedenkpfad werden, eine Zeitreise durch den D-Day. Geplant war die Eröffnung bereits 2024 zum 80. Jahrestag – verzögert sich also. Aber der Gedanke zählt: Erinnern darf nicht im Archiv enden. Erinnern muss gelebt werden.
Wie kann man tiefer eintauchen?
Wer über das, was am 6. Juni 1944 geschah, mehr wissen will, hat viele Möglichkeiten. Antony Beevors Buch „D-Day: Die Schlacht um die Normandie“ bietet detaillierte Analysen. Cornelius Ryans „Der längste Tag“ schildert die dramatischen Stunden der Invasion. Und wer lieber schaut als liest, für den lohnt sich der gleichnamige Dokumentarfilm oder auch die Originalaufnahmen vom D-Day, die heute aufwendig restauriert vorliegen.
Vielleicht liegt der Schlüssel zum Verständnis nicht nur in Zahlen und Daten. Sondern in Momenten. In Bildern. In Erzählungen, die uns fühlen lassen, was Mut wirklich bedeutet.
Die Zeremonie 2025 hat eines deutlich gemacht: Die Erinnerung lebt – so lange Menschen sich versammeln, Namen aussprechen, Geschichten erzählen. Vielleicht ist das sogar unsere wichtigste Aufgabe in diesen unruhigen Zeiten.
Denn – Hand aufs Herz – wer schützt unsere Freiheit, wenn wir das Vergangene vergessen?
Autor: Andreas M. B.
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