Tag & Nacht

In der Nähe von Lyon, in der sogenannten „Vallée de la Chimie“, wächst der Widerstand. Die Bewohner fordern, dass Industrieunternehmen für die jahrzehntelange Verschmutzung zur Rechenschaft gezogen werden. Ihr Hauptgegner: die berüchtigten PFAS – langlebige Schadstoffe, die mittlerweile überall in der Umwelt zu finden sind.

Die französische Nationalversammlung hat am 20. Februar ein neues Gesetz verabschiedet, das den Verkauf von Produkten mit PFAS ab 2026 verbietet. Doch für die Menschen in Oullins-Pierre Bénite kommt das zu spät – ihr Boden, ihr Wasser und womöglich auch ihre Gesundheit sind bereits betroffen. Jetzt kämpfen sie für Entschädigungen.


„Die Erde ist verseucht“ – ein Kampf gegen unsichtbare Gifte

Thierry Mounib steht auf einer Brücke und blickt auf die Industrieanlagen unter sich. Er kennt diesen Ort wie seine Westentasche – und die Geschichten der Menschen, die hier leben. Links sieht er das riesige Werk von Arkema, das jahrelang PFAS in die Umwelt entlassen hat. Daneben Daikin, ein weiterer Chemieriese. Direkt vor ihm: eine Grundschule.

„Dort unten“, sagt er und zeigt auf die Häuser, „haben wir Proben genommen. Der Boden ist vergiftet. Die Kleingärten gegenüber – kontaminiert. Die Menschen? Natürlich auch.“

Für viele ist der Zusammenhang offensichtlich. Krebsfälle häufen sich in der Nachbarschaft. „Die Frau im Haus da drüben? Gestorben an Krebs. Ihr Mann? Auch. Die Dame links hat Krebs, meine Frau hat Krebs. Bei unseren Freunden hinten, die Frau hat Krebs.“ Mounib klingt wütend, aber auch resigniert. „Und es gibt keine Studien! Niemand untersucht das.“


Industrie in der Pflicht – aber reicht das?

Die Beweisführung ist schwierig. PFAS sind zwar als „ewige Chemikalien“ bekannt, da sie sich kaum abbauen, doch ihr exakter Einfluss auf die menschliche Gesundheit ist noch nicht vollständig erforscht. Deshalb laufen nun Gerichtsverfahren.

„Unser Ziel ist es, die Unternehmen zu verpflichten, endlich umfassende Studien durchzuführen“, erklärt Mounib. „Sie müssen herausfinden, wie stark die Bevölkerung belastet ist – und die Kosten dafür tragen! Schließlich haben sie uns in diese Lage gebracht.“

Arkema bestreitet eine Verantwortung. Das Unternehmen beteuert, seit drei Monaten keine PFAS mehr in die Umwelt abzugeben und sich an alle Vorschriften zu halten. Für die Anwohner ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.


220.000 Betroffene – und ein wachsender Widerstand

Die Umweltanwältin Louise Tschanz hat eine Sammelklage auf den Weg gebracht. Ihr Ziel: Entschädigungen für die Betroffenen. „Wir reden hier nicht nur über Oullins-Pierre Bénite, sondern über den gesamten Süden und Westen von Lyon. Bis zu 220.000 Menschen könnten betroffen sein“, sagt sie.

Der Schaden für die Menschen ist vielfältig. „Ich kann mein eigenes Gemüse nicht essen, meine Eier nicht essen. Das ist ein erheblicher Verlust an Lebensqualität“, so Tschanz. Dazu kommt die Angst: „Was ist, wenn ich krank werde? Was ist mit dem Wert meines Hauses? All das verursacht enormen Stress.“

Die Hoffnung der Anwältin: Je mehr Menschen sich der Klage anschließen, desto größer der Druck auf die Konzerne. „Wenn 1.000, 2.000 oder 3.000 Leute klagen, dann wird es für die Unternehmen teuer. Sie müssen endlich Verantwortung übernehmen.“

Tschanz und ihr Team sammeln nun Fälle, um sie bereits im nächsten Monat vor Gericht zu bringen.


Ein Kampf David gegen Goliath?

Es ist eine Geschichte, die sich weltweit wiederholt: Gemeinden kämpfen gegen mächtige Industrieunternehmen, während Wissenschaftler noch Beweise sammeln. Doch in Lyon scheint sich etwas zu verändern. Der öffentliche Druck wächst, die Politik hat reagiert – zumindest mit einem Verbot ab 2026.

Aber was ist mit den Menschen, die bereits betroffen sind? Wer sorgt dafür, dass sie Gerechtigkeit bekommen?

Die Bewohner der „Vallée de la Chimie“ wollen nicht länger warten. Sie fordern Antworten. Und sie fordern, dass diejenigen zahlen, die sie in diese Lage gebracht haben.

Von C. Hatty

Neues E-Book bei Nachrichten.fr




Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!