Tag & Nacht

Seit einigen Tagen steigen in den Bussen rund um Calais ungewöhnliche Fahrgäste zu – Polizisten auf Patrouille. Ihr Auftrag: Die Fahrgäste beruhigen, denn viele meiden inzwischen den öffentlichen Nahverkehr. Grund dafür ist die zunehmende Präsenz von Migranten, die auf eine Überfahrt nach Großbritannien hoffen. Doch wie notwendig ist diese Maßnahme wirklich?

Warum Polizeipatrouillen in Bussen?

Seit Montag sind auf drei Buslinien in und um Calais Polizeikräfte unterwegs. Sie steigen unregelmäßig in die Busse ein und kontrollieren die Lage – täglich von 9 bis 21 Uhr. Die Linien 423 (zwischen Gravelines und Calais) sowie zwei innerstädtische Linien (1 und 4) sind betroffen. Das Konzept soll bald auf weitere Regionen wie Montreuil-sur-Mer und Boulogne-sur-Mer ausgeweitet werden.

Diese Maßnahme wurde bereits im November vom Innenminister Bruno Retailleau versprochen. Grund dafür war die Forderung mehrerer Bürgermeister an der Küste, darunter auch Natacha Bouchart, die Bürgermeisterin von Calais. Sie berichtete, dass viele Familien ihre Kinder nicht mehr allein mit dem Bus fahren ließen. Junge Frauen fühlten sich unwohl, und einige Menschen verzichteten ganz auf den Nahverkehr.

Doch es gibt einen bemerkenswerten Punkt: Offizielle Beschwerden oder ernsthafte Vorfälle wurden bislang nicht gemeldet.

Ein Gefühl der Unsicherheit statt konkreter Vorfälle

„Wir haben zahlreiche Rückmeldungen von Fahrgästen, die sich unsicher fühlen und deshalb den Bus meiden“, erklärte die Unterpräfektin von Calais, Agathe Cury. Laut ihr geht es also nicht um eine direkte Bedrohung, sondern um ein subjektives Sicherheitsgefühl.

Dieses Phänomen ist nicht neu. Immer wieder führen gesellschaftliche Debatten dazu, dass Maßnahmen ergriffen werden, um ein abstraktes Gefühl der Unsicherheit zu adressieren – selbst wenn keine steigende Kriminalität vorliegt.

Aber warum genau empfinden Menschen den Busverkehr als unsicher?

Migranten auf dem Weg zur Küste

Die geografische Lage von Calais macht die Stadt seit Jahren zu einem Sammelpunkt für Migranten, die nach Großbritannien wollen. Viele von ihnen versuchen, mit Lastwagen oder Booten überzusetzen. Wenn das Wetter günstig ist, steigt die Zahl derer, die Busse nutzen, um näher an die Küste zu gelangen.

Diese erhöhte Präsenz allein scheint für manche Fahrgäste bereits ausreichend, um ein Gefühl der Unsicherheit zu entwickeln. Besonders in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen können solche Wahrnehmungen stärker werden – auch ohne konkrete Gefährdung.

Symbolische Beruhigung oder echte Lösung?

Doch wird eine Polizeipatrouille in Bussen das Problem wirklich lösen? Kritiker könnten argumentieren, dass es sich eher um eine symbolische Beruhigungsmaßnahme handelt.

Es ist verständlich, dass Menschen sich sicher fühlen wollen, wenn sie den Nahverkehr nutzen. Doch wenn es keine dokumentierten Übergriffe gibt, stellt sich die Frage: Ist eine verstärkte Polizeipräsenz die richtige Antwort? Oder könnte dies eher zu einer weiteren Stigmatisierung bestimmter Gruppen führen?

Skeptiker könnten sagen, dass solche Maßnahmen vor allem politisch motiviert sind – ein Zeichen dafür, dass „etwas getan wird“, auch wenn keine akute Gefahr besteht.

Wie geht es weiter?

Die Stadtverwaltung hält sich die Option offen, die Polizeipräsenz weiter auszubauen. Aktuell sind neun Beamte im Einsatz, die Zahl könnte auf bis zu 20 pro Buslinie erhöht werden.

Ob das allerdings langfristig zu einer echten Verbesserung führt oder nur kurzfristig die Wogen glättet, bleibt abzuwarten. Die wahre Herausforderung – der Umgang mit der Migration in der Region – bleibt bestehen.

Catherine H.


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