Port-Cros. Klingt wie ein Ferienort, ist aber viel mehr als das: ein Schutzschild für das Mittelmeer. Inmitten wachsender Umweltprobleme und globaler Biodiversitätsverluste zeigt dieser französische Nationalpark, wie Naturschutz nicht nur effektiv, sondern auch gemeinschaftlich gelingen kann.
Seit 1963 ist Port-Cros offiziell Nationalpark – der erste in Europa mit einem marinen Fokus. Doch was macht ihn so besonders?
Eine Schatzkiste aus Meer und Land
Der Nationalpark erstreckt sich über 1.700 Hektar an Land und knapp 3.000 Hektar im Meer. Die Kulisse: Felsige Inseln, türkisfarbenes Wasser, stille Buchten. Doch das wahre Wunder spielt sich unter der Wasseroberfläche ab.
Ein Herzstück des Schutzkonzepts sind sogenannte „Réserves intégrales“. Hier gilt: kein Angeln, kein Tauchen, kein Wassersport – absolute Ruhe für die Natur. Und siehe da: Arten, die andernorts verschwinden, kommen hier in großer Zahl zurück. Paradebeispiel? Der Zackenbarsch. In Port-Cros schwimmt er wie ein König durch seine Riffe.
Gemeinsam statt gegeneinander
Was Port-Cros so anders macht: Die Menschen vor Ort wurden von Anfang an mit ins Boot geholt. Fischer, Tauchschulen, Hoteliers und Gemeinden gestalten die Regeln mit – ein echtes Miteinander.
Diese Einbindung zahlt sich aus. Es gibt klar geregelte Zonen, in denen traditionell und nachhaltig gefischt werden darf. Und auch in der Bildung wird kräftig gearbeitet – Umweltbildung in Schulen, Infoveranstaltungen für Besucher, Kooperationen mit lokalen Organisationen. So wird Naturschutz zur Herzensangelegenheit.
Man merkt: Hier hat niemand einfach „von oben herab“ entschieden. Stattdessen wurde diskutiert, gestritten, gelacht – bis alle an einem Strang gezogen haben.
Tourismus: Fluch oder Segen?
Natürlich kommen viele, die die Schönheit dieser Inselwelt erleben wollen. Gerade im Sommer quellen Fähren und Strände über. Das ist gut fürs Geschäft, aber kritisch fürs Ökosystem.
Deshalb lenkt man Besucherströme gezielt. Zum Beispiel mit einem Unterwasserpfad in der Bucht von La Palud. Mit Maske und Schnorchel entdecken Gäste die Unterwasserwelt – begleitet von Infotafeln. Wer sich einmal Auge in Auge mit einer Seegurke wiederfand, denkt zweimal nach, bevor er Müll ins Meer wirft.
Doch klar: Es bleibt eine Herausforderung, zwischen Naturschutz und Tourismus die Balance zu halten. Die Parkleitung weiß das – und bleibt dran.
Mehr als nur ein französischer Park
Port-Cros ist längst kein lokales Projekt mehr. Der Park ist Teil des MedPAN-Netzwerks – einem Zusammenschluss mariner Schutzgebiete im Mittelmeerraum. Wissen wird geteilt, Erfahrungen ausgetauscht, Strategien weiterentwickelt.
Zudem spielt Port-Cros eine führende Rolle im PELAGOS-Abkommen – einem trilateralen Schutzgebiet für Meeressäuger zwischen Frankreich, Italien und Monaco. Delfine und Wale sollen dort in Ruhe durchs Mittelmeer ziehen können.
All das zeigt: Port-Cros ist nicht nur ein Ort – es ist ein Modell. Ein Beispiel dafür, wie Schutz, Wissenschaft und Gemeinschaft funktionieren können.
Ein Park als Lehrmeister
Der große Erfolg von Port-Cros liegt nicht in einem einzigen Trick. Es ist das Zusammenspiel – aus klaren Regeln, gelebter Zusammenarbeit, wissenschaftlicher Begleitung und einer ordentlichen Portion Leidenschaft.
Gerade in Zeiten, in denen Schlagzeilen über sterbende Riffe und Plastikfluten dominieren, sendet Port-Cros ein ermutigendes Signal: Es geht auch anders. Es gibt Hoffnung. Und ja – es ist möglich, Biodiversität nicht nur zu bewahren, sondern ihr wieder Raum zu geben.
Vielleicht ist es an der Zeit, sich öfter an Orte wie Port-Cros zu erinnern. Orte, an denen Natur nicht museal verwahrt wird, sondern lebendig bleiben darf. Wo Mensch und Natur nicht Gegenspieler, sondern Partner sind.
Denn am Ende bleibt eine Frage: Wenn es hier funktioniert – warum nicht auch anderswo?
Von Andreas M. Brucker
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