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Die Außenpolitik, der wichtigste Zuständigkeitsbereich des französischen Staatsoberhaupts, ist ein Thema, bei dem die beiden Kandidaten für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen starke Unterschiede aufweisen.

Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben sich für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen qualifiziert. In Bezug auf die wichtigsten aktuellen Themen, insbesondere die Ukraine, Russland und die NATO, zeigen die beiden Kandidaten starke Meinungsverschiedenheiten.

Zunächst zur Beziehung zu Russland: Auf den ersten Blick pflegen sowohl Emmanuel Macron als auch Marine Le Pen eine Art Gleichgewicht: Verurteilung der russischen Invasion, aber der Wille, den Kontakt mit Moskau aufrechtzuerhalten. Der derzeitige Präsident hat in den vergangenen fünf Jahren seinen russischen Amtskollegen oft freundlich behandelt, ihn in seinem Feriendomizil Fort de Brégançon empfangen und ist nach Moskau gereist, um zu versuchen, den Kremlchef von einem Überfall auf die Ukraine abzubringen. Marine Le Pens Verbindungen zu dem russischen Machthaber sind jedoch viel älter und viel tiefer.

Im Jahr 2017 hatte Wladimir Putin die rechtsextreme Kandidatin in der Zeit zwischen den beiden Wahlgängen sogar unterstützt. Der Front National, der zwischenzeitlich zum Rassemblement National geworden ist, wurde lange Zeit durch zwei grosse Kredite bei russischen Banken finanziert. Auch in 2022 nahm die Partei von Marine Le Pen einen Kredit in Höhe von 10 Millionen Euro bei einer Bank in Ungarn, dem engsten europäischen Partner Moskaus, auf. Darüber hinaus ist Le Pen nach wie vor gegen die internationalen Sanktionen, die nach der Invasion der Krim im Jahr 2014 gegen Russland verhängt wurden. In ihrem Präsidentschaftsprogramm befürwortet Marine Le Pen ein „Bündnis mit Russland“ in einer neuen „europäischen Sicherheitsarchitektur“.

Europäische Verteidigung oder französische Verteidigung
Was die Beziehung zur NATO angeht, gibt es auch hier auf den ersten Blick Gemeinsamkeiten. Beide Kandidaten äußerten in der Vergangenheit scharfe Kritik an der Atlantischen Allianz. Man erinnert sich daran, dass Emmanuel Macron die NATO als „hirntot“ bezeichnete. Marine Le Pen geht jedoch viel weiter und bezeichnet die Organisation als „kriegstreiberisches Bündnis“, das durch seine Osterweiterung für die Sorgen und das Verhalten von Wladimir Putin verantwortlich sei. Le Pen will Frankreich aus dem integrierten Militärkommando der NATO herauslösen, sobald der Krieg in der Ukraine beendet ist.

Die beiden Kandidaten sind sich vor allem über die politische Ausrichtung im Bereich der Verteidigung tiefgreifend uneinig. Für Emmanuel Macron lautet die Antwort Europa, die Entwicklung einer europäischen Verteidigung, in Abstimmung mit der NATO, aber mit dem Ziel der strategischen Autonomie der Europäischen Union. Mit einer europäischen Projektionstruppe und gemeinsamen Projekten der Militärindustrie. Für Marine Le Pen lautet die Antwort: Frankreich und nur Frankreich. Eine nationale Verteidigung, in gleicher Distanz zu Moskau und zu Washington und mit einer kategorischen Ablehnung einer europäischen Einmischung in diesen Fragen. Dies zeigt auch die radikal gegensätzlichen Positionen der beiden Kandidaten in Bezug auf die Beziehung Frankreichs zu Europa.

Hilfe für die Ukraine
Bei der Hilfe für die Ukraine gibt es die meisten Gemeinsamkeiten. Beide Kandidaten befürworten die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge und beide lehnen – zumindest derzeit – die Lieferung von Offensivwaffen an die Ukraine ab. Bei den Wirtschaftssanktionen ist sowohl bei Macron, als auch bei Le Pen eine gewisse Zurückhaltung zu spüren, noch weiter zu gehen. Insbesondere Marine Le Pen lehnt ein Energieembargo gegen Moskau aufgrund der wahrscheinlichen Kettenreaktion auf die Kaufkraft der Franzosen strikt ab. Emmanuel Macron ist eher geneigt, die Sanktionen zu erhöhen, allerdings nur schrittweise.


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