Ein bahnbrechender Wechsel steht bevor – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ab dem 29. Juni 2025 wird Transdev, ein privater Mobilitätskonzern, die Regionalzugverbindung Marseille–Toulon–Nizza übernehmen. Damit verliert die staatliche SNCF zum ersten Mal eine wichtige Bahnlinie an ein privates Unternehmen. Ein Einschnitt, der für Frankreichs Schienennetz historische Bedeutung hat.
Schluss mit ewigen Verspätungen?
In der Vergangenheit war die Strecke notorisch unzuverlässig. Jeder fünfte Zug kam zu spät, jeder achte fiel komplett aus. Die Region Provence-Alpes-Côte d’Azur hatte genug – und schrieb die Konzession neu aus. Transdev konnte sich in diesem Vergabeverfahren gegen die SNCF durchsetzen. Ein mutiger Schritt der Region, der aufhorchen lässt.
Aber was verspricht man sich davon?
Ein ganz neues Level an Pünktlichkeit: 97,5 Prozent lautet die Zielmarke. Klingt ehrgeizig – ist aber dringend nötig. Denn Pendler und Reisende wollen sich auf den Zug verlassen können, nicht ständig auf Ersatzbusse oder Verspätungsnachrichten.
Mehr Züge, mehr Komfort – mehr Frankreich
Künftig sollen statt sieben gleich vierzehn Zugpaare täglich unterwegs sein. Verdopplung des Angebots also. Zum Einsatz kommen dabei neue Omneo-Premium-Züge von Alstom – und zwar made in France. Diese doppelstöckigen Garnituren sind ein echter Fortschritt in Sachen Komfort: breite Sitze, WLAN, Speisewagen, Fahrradabteile und barrierefreie Zugänge. Was will man mehr?
Vielleicht ein bisschen französisches Flair. Das kommt ab sofort auch auf Schienen daher – mit einem Hauch von Luxus und praktischen Details, die den Alltag angenehmer machen.
Ein öffentlicher Dienst bleibt – nur anders
Obwohl Transdev ein Privatunternehmen ist, handelt es sich formal um eine öffentliche Dienstleistung. Die Region bleibt Herrin über die Tarife, Investitionen und strategische Ausrichtung. Transdev führt lediglich aus – nach klar definierten Vorgaben.
Interessant dabei: 163 Mitarbeitende der SNCF wechseln freiwillig zu Transdev. Sie werden speziell geschult, um nahtlos weiterarbeiten zu können. Ein sensibles Thema, denn gerade in Frankreich sind Jobwechsel im Bahnsektor oft von Spannungen begleitet.
Fragen, die auf den Schienen liegen
Natürlich wirft dieser Wechsel auch Fragen auf. Etwa:
Wird Transdev die hohen Erwartungen an Qualität und Zuverlässigkeit wirklich erfüllen?
Auch das Thema Arbeitsbedingungen steht im Raum. Werden die übergewechselten Mitarbeitenden bei Transdev ähnliche Rechte genießen wie zuvor bei der SNCF? Und wird dieses Modell Schule machen – also als Vorlage für weitere Regionen dienen, die ihre Bahnverbindungen neu vergeben wollen?
Klar ist: Dieser Schritt ist ein Signal. Ein Signal für mehr Wettbewerb – aber auch für mehr Verantwortung.
Ein Pilotprojekt mit Signalwirkung
Die Bahnlinie Marseille–Toulon–Nizza könnte zu einem Vorzeigemodell werden – oder zu einem warnenden Beispiel, je nachdem, wie Transdev sich schlägt. Die Konkurrenz zur alteingesessenen SNCF wird jedenfalls schärfer. Und wer weiß: Vielleicht ist genau dieser Druck nötig, um das französische Bahnnetz endlich auf Kurs zu bringen.
Denn eines ist sicher: Wenn sich der Service spürbar verbessert, wird kaum jemand den Betreiberwechsel bereuen. Die Zeichen stehen auf Wandel – und die Züge hoffentlich auf Grün.
Von Andreas M. Brucker
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