Fast fünf Stunden dauerte am gestrigen Tag ein hochrangiges Treffen im Moskauer Kreml, bei dem Präsident Wladimir Putin den US-Sondergesandten Steve Witkoff und Jared Kushner, den Schwiegersohn und einflussreichen Berater von US-Präsident Donald Trump, empfing. Im Mittelpunkt der vertraulichen Gespräche stand der anhaltende Krieg in der Ukraine und die Frage, ob es Spielraum für eine neue diplomatische Annäherung zwischen Washington und Moskau gibt. Russische Staatsmedien zeigten die Gesprächspartner in der bekannten Szenerie des großen, weißen Verhandlungstischs im Kreml – ein Bild, das in den vergangenen Jahren Symbol wurde für Putins distanzierte Machtinszenierung.
US-Vorschläge in vier Dokumenten – doch keine Einigung
Nach Angaben von Juri Uschakow, dem außenpolitischen Chefberater des Kremls, hatte die russische Seite im Vorfeld vier Dokumente mit Vorschlägen aus Washington erhalten. Diese seien im Verlauf der Sitzung „detailliert durchgearbeitet“ worden, so Uschakow gegenüber Journalisten. Inhalte der Vorschläge wurden offiziell nicht bekannt gegeben, doch aus diplomatischen Kreisen verlautete, es habe sich um „vorbereitende Eckpunkte für ein mögliches neues Sicherheitsarrangement in Europa“ gehandelt. Auch humanitäre Fragen, etwa lokale Feuerpausen oder Gefangenenaustausch in der Ostukraine, seien thematisiert worden.
Trotz der intensiven Beratungen sei es jedoch zu keinem konkreten Durchbruch gekommen. „Es wurden keine bindenden Kompromisse erzielt“, sagte Uschakow. Auch ein neuer Gipfel zwischen Präsident Putin und Präsident Trump sei nicht vereinbart worden – ein solcher stand zwar im Raum, wurde aber laut Kreml zunächst zurückgestellt, da „die Voraussetzungen für ein substanzielles Treffen derzeit nicht gegeben“ seien.
Diplomatischer Draht trotz Sanktionsregime
Die Begegnung wirft ein Schlaglicht auf die diskrete, aber fortlaufende diplomatische Kommunikation zwischen Moskau und Washington – selbst in Zeiten umfassender gegenseitiger Sanktionen, militärischer Eskalation und weitgehender politischer Eiszeit. Witkoff, ein Immobilienunternehmer mit engen Verbindungen zu Trump, war überraschend von diesem als Sondergesandter nominiert worden. Jared Kushner, der bereits während Trumps erster Amtszeit außenpolitische Sondermissionen übernahm – etwa im Nahost-Friedensprozess – gilt als direkter Zugangskanal des Weißen Hauses zum Kreml.
Beobachter werten das Treffen als Zeichen, dass das Weiße Haus trotz öffentlich harter Rhetorik nach wie vor auf informelle Gesprächsformate mit Moskau setzt. Die Wahl von Kushner als Gesprächspartner unterstreicht dabei die persönliche Natur dieser diplomatischen Initiative – ein Rückgriff auf das sogenannte „Track II“-Format, das in der internationalen Diplomatie oft zum Einsatz kommt, wenn offizielle Kanäle blockiert sind.
Kein Reset, aber auch keine Eskalation
Auch wenn das Treffen ohne sichtbare Fortschritte endete, ist die Tatsache, dass es überhaupt stattfand, nicht unbedeutend. Trump, der sich als außenpolitischer Dealmaker inszeniert, würde gerne einen möglichen Verhandlungserfolg mit Moskau als Beleg seiner Führungsstärke nutzen.
Die Gespräche im Kreml haben vor diesem Hintergrund wohl weniger das Ziel verfolgt, kurzfristige Lösungen herbeizuführen, sondern eher erneut das Terrain sondiert – auf beiden Seiten. Sie deuten auf eine geopolitische Gemengelage, in der ein echter Durchbruch noch nicht unmittelbar bevorsteht. Vielmehr bleibt die Situation geprägt von strategischem Abwarten Putins, taktischen Gesprächsoffensiven und dem Ringen um Einflusszonen – nicht nur in Osteuropa, sondern weit darüber hinaus.
WEITERE MELDUNGEN
– Indien ordnete an, dass alle Smartphones künftig mit einer vorinstallierten Tracking-App ausgestattet sein müssen, um Kriminalität zu verhindern. Oppositionsparteien bezeichneten die Maßnahme als Instrument zur Massenüberwachung.
– Donald Trump hat mit einer fremdenfeindlichen Tirade gegen somalische Einwanderer für Empörung gesorgt. Er bezeichnete sie als „Müll“, den er nicht in den USA haben wolle.
– Tausende Menschen in Libanon nahmen an einer Messe teil, die Papst Leo an der Stelle der Explosion im Beiruter Hafen von 2020 leitete. Es war seine erste Auslandsreise.
– Großbritannien kündigte Pläne an, Geschworenengerichte für Straftaten mit Freiheitsstrafen unter drei Jahren abzuschaffen, um einen erheblichen Rückstau an Verfahren abzubauen.
– Juan Orlando Hernández, ehemaliger Präsident von Honduras, der in den USA wegen Drogendelikten verurteilt worden war, wurde nach einer Begnadigung durch Trump aus dem Gefängnis entlassen.
– Die Polizei in Südkorea meldete, dass 120.000 Heimkameras gehackt wurden, um sexuell brisantes Material zu beschaffen.
– Die New York Times veranstaltet heute ihren DealBook Summit. Zu den prominenten Gästen gehören der taiwanische Präsident Lai Ching-te und der Schachweltmeister und russische Oppositionspolitiker Garri Kasparow.
P. Tiko
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