Trotz diplomatischer Bemühungen und wachsendem internationalem Druck zeichnet sich kein baldiges Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ab. Die Verhandlungen zwischen Moskau und Washington stagnieren. Doch jenseits der diplomatischen Bühne deuten mehrere Entwicklungen darauf hin, dass sich der strategische Spielraum des Kremls verengt. Ein Überblick über die Faktoren, die – mittelbar – das Ende des Krieges einleiten könnten.
Die jüngsten Gespräche zwischen der russischen Führung und US-Emissären in Moskau offenbarten erneut die Tiefe des Grabens zwischen den Konfliktparteien. Während die US-Seite, vertreten durch Sondergesandte wie Steve Witkoff und den ehemaligen Präsidentenberater Jared Kushner, auf eine Neuauflage des diplomatischen Dialogs drängt, besteht Moskau auf seinen territorialen Maximalforderungen. Die Forderung nach ukrainischem Rückzug aus dem Donbas und die Anerkennung der Annexionen durch Russland sind für den Kreml weiterhin „nicht verhandelbar“.
Solange Wladimir Putin glaubt, durch militärische Hartnäckigkeit geopolitische Gewinne sichern zu können, bleibt Frieden eine strategisch nachgeordnete Option. Doch dieses Kalkül könnte ins Wanken geraten – wenn mehrere externe und interne Stressfaktoren gleichzeitig wirksam werden.
Wirtschaftliche Erosion – die Sprengkraft der Sanktionen
Seit dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 ist Russland einer beispiellosen Sanktionsarchitektur ausgesetzt. Der Ausschluss aus westlichen Kapitalmärkten, Exportverbote für Schlüsseltechnologien, die Reduktion europäischer Energieimporte und das Einfrieren staatlicher Reserven haben die wirtschaftliche Substanz Russlands stark beschädigt. Laut einer Analyse des ifo Instituts (2023) ist das Bruttoinlandsprodukt Russlands seither deutlich gesunken, auch wenn kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen den Absturz abfederten.
Besonders die russische Rüstungsindustrie leidet unter Engpässen bei Präzisionskomponenten. Auch die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport, lange Zeit Putins finanzielles Rückgrat, geraten durch Preisdeckel und Nachfragerückgänge unter Druck. Verschärfte Sekundärsanktionen gegen Drittstaaten, die Moskau beim Sanktionsbruch halfen, könnten diesen Trend beschleunigen. Je länger der Krieg dauert, desto teurer wird er – finanziell wie politisch.
Militärische Realität: Wenn der Krieg mehr kostet als er nützt
Ein weiterer möglicher Katalysator ist militärischer Natur. Sollten ukrainische Truppen – mit westlicher Unterstützung – in der Lage sein, strategische Geländegewinne zu erzielen oder kritische Infrastruktur auf russischem Territorium zu treffen, könnte das die innerrussische Wahrnehmung des Krieges verändern. Bereits heute berichtet das britische Verteidigungsministerium regelmäßig über zunehmende Probleme in russischen Nachschubketten und sinkende Truppenmoral an der Front.
Noch hält das russische Kommando an der Vision fest, durch Beharrung und Eskalation Vorteile zu sichern. Doch militärische Rückschläge – wie sie im Herbst 2022 bei Charkiw oder Cherson bereits zu beobachten waren – können eine Neubewertung erzwingen. Wenn die Kriegsziele unerreichbar erscheinen und die Wahrnehmung des das Kosten-Nutzen-Verhältnisses kippt, könnte sich auch der Kreml auf die Suche nach einem „gesichtswahrenden“ Ausweg machen.
Machtinterne Risse: Loyalität ist kein Naturgesetz
Autoritäre Regime leben von der Kontrolle über die Eliten. Doch auch in Russland ist Loyalität an Ressourcen und persönliche Sicherheit gebunden. Die Meuterei der Wagner-Gruppe im Juni 2023 zeigte exemplarisch, dass auch in stark kontrollierten Systemen der innere Zusammenhalt fragil werden kann, wenn militärischer Misserfolg und wirtschaftlicher Druck zusammentreffen.
Ein anhaltender Krieg, kombiniert mit wachsender sozioökonomischer Belastung und zunehmender Repression im Innern, könnte den Kreis der Zweifler in der politischen Elite vergrößern. Laut Einschätzungen der Brookings Institution (2025) ist zwar kein Regimewechsel zu erwarten, wohl aber „eine wachsende strategische Fragmentierung innerhalb der Machtzirkel“, etwa in der Armee, im Geheimdienstapparat oder bei regionalen Gouverneuren.
Der Westen muss synchron handeln – und globaler denken
Einzelsanktionen oder Waffenlieferungen an die Ukraine zeigen zwar Wirkung, reichen aber nicht aus, um einen nachhaltigen Strategiewechsel in Moskau zu erzwingen. Notwendig wäre eine koordinierte und breit abgestützte Druckkulisse: neue Sanktionen, gezieltere Exportkontrollen, diplomatische Isolation – aber auch das Einfrieren und perspektivisch die Umverwendung russischer Auslandsguthaben zur Finanzierung des Wiederaufbaus in der Ukraine.
Zudem ist die Rolle globaler Akteure entscheidend. Länder wie Indien, China oder die Türkei haben bislang eine ambivalente Haltung zum Krieg eingenommen. Eine gezielte westliche Diplomatie, die diese Länder nicht nur zur Neutralität, sondern zur aktiven Beteiligung an der Druckkulisse bewegt, könnte Putins Handlungsspielraum weiter einengen.
Wandel durch Erschöpfung?
So sehr es dem Westen zuwiderläuft: Ein abrupter Systemkollaps oder ein plötzlicher Strategiewechsel in Moskau ist unwahrscheinlich. Die russische Führung hat bewiesen, dass sie bereit ist, hohe Kosten zu tragen – und die Bevölkerung über staatlich gelenkte Medien in eine defensive, nationalistische Logik einzubinden. Dennoch: Auch autokratische Regime haben Kipppunkte. Oft werden diese nicht durch äußeren Zwang, sondern durch eine Kombination aus militärischer Erschöpfung, ökonomischer Stagnation und innerer Destabilisierung erreicht.
Putins strategische Geduld ist nicht unbegrenzt. Entscheidend wird sein, ob der Westen die Kraft aufbringt, seine Hebel nicht punktuell, beschränkt auf Länder oder Regionen (wie die EU), sondern globaler und systematischer zu nutzen – ökonomisch, militärisch und diplomatisch.
WEITERE MELDUNGEN
EU-Beamte haben einen überarbeiteten Plan vorgestellt, wonach 210 Milliarden Euro eingefrorener russischer Vermögenswerte für einen Großkredit an die Ukraine genutzt werden sollen.
Israel kündigte an, den Grenzübergang Rafah wieder zu öffnen, um einigen Palästinensern die Ausreise aus Gaza zu ermöglichen. Ägypten wies jedoch darauf hin, dass eine baldige Öffnung der Grenze nicht vorgesehen sei.
Israel und der Libanon haben Gespräche über einen Waffenstillstand aufgenommen – vor dem Hintergrund wachsender Befürchtungen, dass Israel seine Offensive gegen die Hisbollah wieder aufnehmen könnte.
Zwei der größten britischen Organisationen für Frauen und Mädchen erklärten, dass sie künftig keine Transgender-Mitglieder mehr aufnehmen werden – unter Berufung auf ein höchstrichterliches Urteil.
In Tunesien wurde eine prominente Oppositionsfigur festgenommen – ein weiteres Anzeichen für den zunehmenden autoritären Kurs des Landes.
Ein mit Platin-Schneeflocken besetztes und mit Tausenden winziger Rosendiamanten verziertes Fabergé-Ei wurde für einen Rekordpreis von über 30 Millionen US-Dollar verkauft.
Autor: P. Tiko
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