Ein paar Kilometer abseits der weltbekannten Pilgerstätte Rocamadour, auf einem abgelegenen Feld zwischen Kuhweiden und Kornspeichern, vibriert seit dem 7. Mai 2025 der Boden. Tausende Menschen haben sich hier zusammengefunden, um zu feiern – laut, ausgelassen und ohne offizielle Genehmigung. Das Ergebnis: Eine der größten illegalen Rave-Partys Frankreichs seit Jahren.
Was wie ein Geheimtipp unter Freunden begann, ist zur Großveranstaltung mutiert: Rund 9.000 „Teufeurs“ – wie sich die Fans der alternativen Technoszene nennen – reisten aus ganz Europa an, um das 30-jährige Bestehen der Organisation Techno+ zu feiern. Diese Vereinigung setzt sich seit Jahrzehnten für die Schadensminimierung in der Partyszene ein, vor allem wenn’s wild und unreglementiert zugeht.
Ein Dorf aus Beats und Zelten
Das Gelände, inzwischen unter dem Spitznamen „Le Gary“ bekannt, gleicht einem Mini-Festival. Vier Bühnen, umgeben von Zelten, Vans und bunt geschmückten Installationen – das Ganze erinnert mehr an ein Musikfestival als an eine illegale Veranstaltung. Die Stimmung ist freundlich, viele der Teilnehmenden kennen sich aus vorherigen Raves. Getanzt wird bis tief in die Nacht, tagsüber döst man in Hängematten oder sitzt in der Sonne.
Klingt idyllisch? Teilweise – aber der gesetzliche Rahmen sagt: illegal.
Zwischen Duldung und Durchgreifen
Die Behörden stehen vor einem Dilemma. Die Präfektin des Départements Lot, Claire Raulin, zeigt sich betont sachlich: Das Gelände sei „kontrolliert und gesichert“. Tatsächlich blockieren über 100 Polizisten die Zufahrtsstraßen, es gibt Verkehrskontrollen, Drogen- und Alkoholtests, dazu klare Ansagen: Wer gegen das Gesetz verstößt, kassiert eine Anzeige.
Statt jedoch mit harter Hand durchzugreifen, setzen die Sicherheitskräfte auf Schadensbegrenzung – eine pragmatische Linie, die Eskalationen vermeiden soll. Raulin betont, das Ziel sei die Sicherheit aller Beteiligten. Klingt vernünftig, doch nicht jeder hat Verständnis.
Und die Anwohner?
Die Reaktionen in den umliegenden Dörfern schwanken. Einige winken ab – es seien doch nur ein paar Tage Musik, danach sei wieder Ruhe. Andere schäumen vor Wut: Der Lärm, die vollen Straßen, die wild parkenden Fahrzeuge – alles andere als Alltag auf dem Land. Vor allem auf der Départementstraße RD840 herrscht Stillstand.
Ein älterer Landwirt berichtet, er komme kaum mehr zu seinen Feldern durch. Kein Wunder, dass die Stimmung schwankt zwischen genervt, verärgert und – ja, manchmal auch verständnisvoll.
Logistik unter freiem Himmel
9.000 Menschen mitten im Nirgendwo – das ist kein Pappenstiel. Ein Notfallzentrum wurde errichtet, die Feuerwehr und das Rote Kreuz sind im Dauereinsatz. Ein 54 Quadratmeter großer Sanitätsposten versorgt Verletzte, von denen es bislang rund 40 gab. Die meisten nur mit kleineren Beschwerden, aber auch ein Beinbruch war dabei.
Trotz aller Befürchtungen: Bislang läuft das meiste überraschend reibungslos. Kein Chaos, keine größeren Auseinandersetzungen – zumindest bis jetzt.
Die politische und gesellschaftliche Frage
Warum eigentlich dieser Widerstand gegen Raves? Geht es wirklich um Sicherheit – oder steckt mehr dahinter? Die Szene ist laut, unangepasst und schwer zu kontrollieren. Sie stellt das klassische Verständnis von Ordnung infrage – und genau darin liegt wohl der Reiz.
Gleichzeitig ist klar: Ohne Regeln geht’s nicht. Was passiert, wenn jemand ernsthaft zu Schaden kommt? Wer trägt die Verantwortung, wenn es brennt oder wenn die Natur unter dem Ansturm leidet?
Zwischen Freiheit und Kontrolle
Die Situation im Lot ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es in Frankreich zu ähnlichen Veranstaltungen – mal geduldet, mal geräumt. Was fehlt, ist ein klarer Rahmen, der beides erlaubt: Das Bedürfnis nach freier Entfaltung – und den Schutz von Umwelt, Eigentum und öffentlicher Ordnung.
Könnte man nicht offizielle Flächen ausweisen, mit Auflagen und Notfalldiensten, aber ohne gleich alles zu verbieten? Die Antwort darauf bleibt bisher aus.
Ein Balanceakt mit offenem Ausgang
Ob die Rave-Party im Lot bald aufgelöst wird oder sich einfach von selbst verläuft – noch ist offen, wie es weitergeht. Die Polizei hält die Lage im Blick, bleibt präsent, aber zurückhaltend.
Bis dahin bleibt das Feld bei Montvalent ein Tanzboden der Gegensätze: zwischen Freiheit und Gesetz, Ekstase und Kontrolle, Individualität und Verantwortung. Vielleicht braucht es genau solche Orte, um gesellschaftliche Grenzen auszuloten.
Und wer weiß – vielleicht entstehen genau hier die neuen Konzepte für ein Miteinander zwischen Kultur und Gesetz.
Von Andreas M. Brucker
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