Tag & Nacht

Elisabeth Borne hat am Dienstagabend den Regierungsentwurf zur Reform des Rentensystems vorgestellt. Sofort im Anschluss daran riefen die Gewerkschaften zu einem ersten Streik- und Demonstrationstag am 19. Januar auf.

Es dauerte nicht lange – weniger als zwei Stunden -, bis die Gewerkschaften am Dienstag, dem 10. Januar, auf die Ankündigungen von Elisabeth Borne zur Rentenreform mit scharfen Worten reagierten. „Wir werden dafür kämpfen, dass dieser Gesetzentwurf nicht verabschiedet wird, und das wird nicht nur in der Nationalversammlung geschehen“, sagte der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez. Der Vorsitzende der Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, spricht von „einer der brutalsten Rentenreformen der letzten 30 Jahre“. Nach einem Treffen in Paris riefen die acht größten französischen Gewerkschaften (CFDT, CGT, FO, CFE-CGC, CFTC, Unsa, Solidaires, FSU) zu einem ersten Tag mit Demonstrationen und Streiks am 19. Januar auf.

„Die Regierung hat es geschafft, alle Gewerkschaften zusammen zu bringen“, meinte Dominique Corona, stellvertretender Generalsekretär der Gewerkschaft Unsa, einige Tage zuvor gegenüber Franceinfo. Eine gemeinsame Mobilisierung der Gewerkschaftsbünde gab zum letzten Mal 2010, als die sogenannte Woerth-Reform, die im Juli 2011 in Kraft trat, das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre anhob. Dreizehn Jahre später ist es nun wieder soweit. Trotz der im Oktober von der Premierministerin und dem Arbeitsministerium eingeleiteten Beratungen mit den Sozialpartnern sind die Gewerkschaften der Ansicht, dass sie zu dem Projekt nicht ausreichend beitragen konnten. „Es gab überhaupt keine Verhandlungen“, so Gérard Mardiné, Generalsekretär der CFE-CGC, der Gewerkschaft der leitenden Angestellten.

Trotz der von der Regierung hervorgehobenen Ausgleichsmaßnahmen (Anhebung der Mindestrente für Vollzeitbeschäftigte auf 85 % des Nettosalärs, Ausweitung des Systems der langen Laufbahnen) wehren sich die Gewerkschaften gegen eine „dogmatische“ und „ungerechte“ Reform. Sie kritisieren einen Regierungsentwurf, der die Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts des Systems bis 2030 fast ausschließlich den Erwerbstätigen aufbürdet, insbesondere denjenigen, die in jungen Jahren zu arbeiten begonnen haben.

Selbst die CFDT, die das von Emmanuel Macron 2019 vorgestellte Projekt eines universellen Rentensystems befürwortete, ist nun ins andere Lager übergegangen. Ihre Basis hat sich auf einem Kongress im Juni klar gegen eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ausgesprochen. Und wie die anderen Gewerkschaften kann es sich die Gewerkschaft nicht leisten, eine Reform zu unterstützen, die in den Umfragen unpopulär ist, vor allem nicht im Jahr der Betriebsratswahlen. „Das Ziel der Mobilisierung besteht eindeutig darin, die Regierung von jeglicher Verschiebung des Alters abzubringen, und nicht darin, zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen“ zur Beschwerlichkeit oder zur Arbeitslosigkeit älterer Menschen auszuhandeln, hämmert Yvan Ricordeau, der „Monsieur retraites“ der CFDT, in die Ohren.

Es steht viel auf dem Spiel. Zwar wurde der erste Reformversuch von Emmanuel Macron durch die Monsterstreiks im Winter 2019/2020 erschüttert, doch es war schliesslich die Covid-19-Pandemie, die die Reform stoppte. Für die Exekutive geht es auch um Symbolik: Sie muss gegenüber der Europäischen Union die Reformfähigkeit Frankreichs unter Beweis stellen.


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