Tag & Nacht


Der 23. Dezember – ein Tag vor Heilig Abend, mitten im tiefsten Winter. Ein Tag, der für viele einfach im Trubel der Feiertagsvorbereitungen untergeht. Doch gerade dieses Datum hat es in sich. Wer genauer hinschaut, entdeckt politische Umbrüche, persönliche Tragödien und weltverändernde Entscheidungen, die bis heute nachwirken. Also – was passierte eigentlich an einem 23. Dezember?

Ein Sprung ins Jahr 1793. In Frankreich tobt die Revolution, das Ancien Régime ist gestürzt, doch das Land ist noch lange nicht zur Ruhe gekommen. Die Vendée – eine Region im Westen Frankreichs – ist zum Zentrum des royalistischen Widerstands geworden. Und genau an diesem 23. Dezember endet die blutige Schlacht bei Savenay. Die republikanischen Truppen schlagen die royalistische Armee endgültig. Für die Gegenrevolution ist das ein vernichtender Schlag. Für die neue Republik hingegen ein brutaler Sieg, erkauft mit tausenden Toten. Der Tag markiert das Ende einer der blutigsten Phasen des Bürgerkriegs im Inneren – und zeigt, wie tief gespalten Frankreich auf dem Weg in die Moderne war.

Und was hat das mit heute zu tun? Nun, diese inneren Zerreißproben von damals – der Konflikt zwischen Stadt und Land, zwischen Fortschritt und Tradition – zeigen sich auch heute noch in politischen Spannungen, etwa bei Protestbewegungen wie den „Gilets Jaunes“. Die Wut auf „Paris“ als Symbol für eine abgehobene Elite ist kein neues Phänomen – sie reicht weit zurück.

Wechseln wir das Jahrhundert. 1888. In Arles, Südfrankreich, sitzt ein Mann allein in einem Zimmer. Es ist Vincent van Gogh. Der niederländische Maler hat in diesen Tagen mit psychischen Problemen zu kämpfen. Am 23. Dezember kommt es zum berühmten Vorfall: Van Gogh schneidet sich – nach einem Streit mit Paul Gauguin – einen Teil seines linken Ohrs ab. Ein Akt tiefer Verzweiflung. Kunsthistorisch gesehen ein Moment, der sein Werk mit einer neuen Aura versieht – zwischen Genie und Wahnsinn, Licht und Dunkel.



Heute hängen seine Bilder in den bedeutendsten Museen der Welt. Und noch immer ist da diese Faszination für den zerrissenen Künstler, der zu Lebzeiten kaum Anerkennung fand – und nach seinem Tod zum Mythos wurde. Kann es sein, dass wir ihn gerade deshalb so bewundern?

Ein Sprung über den Atlantik – in die Vereinigten Staaten. Am 23. Dezember 1913 unterzeichnet Präsident Woodrow Wilson das Gesetz zur Gründung des Federal Reserve Systems. Die USA erhalten damit erstmals eine zentrale Notenbank, ein Fundament für das heutige Finanzsystem. In einer Zeit, in der Banken weltweit erschüttert werden und Zentralbanken wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, wirkt dieser Tag erstaunlich aktuell. Damals war es ein mutiger Schritt. Heute eine Selbstverständlichkeit – und doch hoch umstritten.

Und dann der 23. Dezember 1947. Der Kalte Krieg ist in vollem Gange, die Welt in zwei Lager geteilt. In den USA entwickelt ein kleines Forscherteam an den Bell Labs den ersten funktionierenden Transistor. Dieses Bauteil – kaum größer als ein Fingernagel – wird die Welt verändern. Ohne ihn kein Computer, kein Smartphone, keine digitale Revolution. Alles beginnt – kurz vor Weihnachten – in einem Labor.

Das ist einer dieser unscheinbaren Momente, die auf den ersten Blick gar nicht nach Geschichte riechen. Kein Krieg, kein Paukenschlag, keine Schlagzeilen. Nur ein technisches Bauteil. Doch genau darin liegt die Ironie: Die größten Umwälzungen entstehen oft leise.

Auch der Sport schreibt an diesem Tag Geschichte. Am 23. Dezember 1972 gelingt Franco Harris von den Pittsburgh Steelers der legendäre Spielzug, der später als „Immaculate Reception“ in die NFL-Geschichte eingeht. Für Fans ein magischer Moment – und für die USA ein kultureller Fixpunkt, wie ihn nur der Football liefern kann. Selbst wer kein Fan ist, hat irgendwann davon gehört. Sport als Identitätsanker – gerade um die Feiertage herum.

Natürlich dürfen auch kuriose Episoden nicht fehlen. 2003 etwa wird der französische Modemacher Pierre Cardin zum UNESCO-Botschafter für Design ernannt. Ein Zeichen dafür, wie eng Frankreichs kulturelle Identität mit Mode, Stil und Avantgarde verbunden ist. Und eine Erinnerung daran, dass Soft Power – also kultureller Einfluss – längst ein Mittel der Diplomatie ist.

Der 23. Dezember vereint viele Facetten. Blutige Schlachten, stilles Leid, technologische Durchbrüche, kulturelle Meilensteine. Und immer wieder Frankreich – mal als Bühne revolutionärer Gewalt, mal als Heimat großer Künstler und Denker.

Und heute? Während in den Geschäften noch schnell letzte Geschenke gekauft werden und auf Weihnachtsmärkten Glühwein ausgeschenkt wird, ahnt kaum jemand, wie dicht dieser Tag mit Geschichte verwoben ist.

Vielleicht lohnt sich ja ein Moment der Ruhe – und ein kurzer Blick zurück.

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