Tag & Nacht




Als Cannes am Samstagmorgen in den Tag starten wollte, wurde die Glitzerwelt des Filmfestivals jäh von der Realität eingeholt. Eine großflächige Strompanne verdunkelte nicht nur die Leinwände – sie warf ein Schlaglicht auf die Verwundbarkeit unserer modernen Infrastruktur. Der Verdacht: Sabotage.

Stromausfall im Rampenlicht

Ausgerechnet während des renommierten Filmfestivals wurde Cannes, zusammen mit weiten Teilen des Departements Alpes-Maritimes, von einem massiven Stromausfall getroffen. Über 160.000 Haushalte waren betroffen – eine beängstigende Zahl in einer Region, die zu dieser Zeit vor Touristen und Prominenten nur so wimmelt.

Der erste Vorfall ereignete sich früh morgens in Tanneron im benachbarten Département Var. Ein Brand brach in einer Hochspannungsanlage aus. Wenige Stunden später dann der nächste Schlag: In Villeneuve-Loubet wurden drei von vier Trägern eines Hochspannungsmastes durchtrennt – ganz offensichtlich mutwillig. Laut Staatsanwalt Damien Savarzeix handelt es sich um „einen böswilligen Akt“. Zufall? Wohl kaum.

Zwischen Generatoren und rotem Teppich

Trotz der angespannten Lage – Cannes hielt sich aufrecht. Die Abschlusszeremonie des Festivals konnte dank im Voraus installierter Notstromaggregate stattfinden. Die Organisatoren hatten offenbar ein gutes Gespür für Krisenvorsorge. Dennoch kam es zu Unterbrechungen bei einigen Filmvorführungen. Auch die Telekommunikation litt.

Man stelle sich das Bild vor: internationale Stars im Scheinwerferlicht – und draußen? Funkstille. Keine Netzabdeckung. Keine Lichtschalter, die reagieren. Eine groteske Szene zwischen Glamour und Stromausfall.

Ermittler unter Hochspannung

Die Behörden reagierten schnell. Die Gendarmerie übernahm die Ermittlungen, unterstützt von Spezialeinheiten aus Marseille. Im Fokus stehen jetzt Videoaufzeichnungen und Mobilfunkdaten – der Versuch, die Täter über digitale Spuren zu entlarven.

Der Präfekt der Alpes-Maritimes, Laurent Hottiaux, sprach von „Angriffen auf die Unversehrtheit kritischer Infrastrukturen“. Der lokale Abgeordnete Éric Ciotti legte verbal noch eine Schippe drauf: ein „klarer terroristischer Akt“, so seine Einschätzung. Er fordert harte Konsequenzen.

Wie sicher sind unsere Stromleitungen eigentlich – vor allem in Zeiten, in denen ein Event wie das Filmfestival zur internationalen Bühne wird?

Ein drittes Ereignis – oder die Spitze des Eisbergs?

In der Nacht zum Sonntag kam es zu einem weiteren Vorfall: Ein Trafohäuschen in Nizza wurde in Brand gesetzt. Die Tür wurde offenbar gewaltsam geöffnet. Rund 45.000 Haushalte waren betroffen.

Zufall oder Serie? Noch gibt es keinen bestätigten Zusammenhang, aber die zeitliche Nähe lässt kaum jemanden kalt. Bürgermeister Christian Estrosi sprach ebenfalls von einem „böswilligen Akt“. Die Bevölkerung ist alarmiert, viele stellen sich inzwischen dieselbe Frage: Handelt es sich um koordinierte Sabotage?

Ein Weckruf für die Energie-Infrastruktur

Diese Serie von Angriffen zeigt eines sehr deutlich – unsere Energieversorgung ist ein fragiles System. Und dieses System gerät aus dem Gleichgewicht, wenn gezielt an den Schwachstellen manipuliert wird. Experten fordern daher bereits mehr Schutz für kritische Infrastrukturen.

Gerade in Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen und wachsender sozialer Spannungen im Inland wirkt ein solcher Sabotageakt wie ein Brennglas – er zeigt, wie leicht unsere Zivilisation aus der Bahn geraten kann, wenn jemand es darauf anlegt.

Ein weiteres Problem: Die meisten dieser Anlagen sind außerhalb der Städte gelegen, schwer einsehbar und oft nur unregelmäßig überwacht. Ein gut vorbereiteter Täter braucht nicht viel, um großen Schaden anzurichten.

Was bleibt?

Ein mulmiges Gefühl – trotz wiederhergestellter Stromversorgung. Die Bilder der dunklen Straßen, die hektischen Szenen in den Notzentralen, die ratlosen Gesichter der Techniker – sie werden bleiben. Mindestens bis geklärt ist, wer hinter diesen Taten steckt und warum.

Die Sicherheitskräfte stehen unter Druck. Die Bevölkerung erwartet Antworten. Und Cannes? Hat erneut bewiesen, dass es nicht nur für Glanz, sondern auch für Krisenresilienz steht.

Doch so ein Festival lebt nicht nur vom Glamour. Es lebt auch von Licht. Und das – wie wir jetzt wissen – kann ganz plötzlich verschwinden.

Von Andreas M. Brucker

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