Nach den Sabotageakten an den TGV-Linien in der letzten Woche und den jüngsten Angriffen auf Glasfaserkabel in der Nacht von Sonntag auf Montag, verdichten sich die Hinweise auf eine Operation der Ultra-Linken. Gleichzeitig stellt die Regierung auch Überlegungen zu einer möglichen ausländischen Einmischung an.
Präzise Planung und gezielte Angriffe
Es war eine akribisch geplante Aktion. In der Nacht vom 26. auf den 27. Juli wurden an verschiedenen Stellen des TGV-Netzes Glasfaserkabel durchtrennt und in Brand gesetzt. Diese Kabel sind essenziell für die Übermittlung sicherheitsrelevanter Informationen wie Signale und Weichenstellungen. Inmitten der Hochsaison der Sommerferien und nur wenige Stunden vor der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris führte der Sabotageakt zu einem regelrechten Chaos in den Bahnhöfen bis zum Montagmorgen, dem 29. Juli. Innenminister Gérald Darmanin erklärte, dass die Sabotageakte „sehr präzise, äußerst zielgerichtet und absichtlich“ ausgeführt wurden und nannte es eine „traditionelle Aktionsweise der Ultragauche (Ultra-Linke)“.
Ein mysteriöses Bekennerschreiben
Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt. Am Sonntag wurde ein 28-jähriger Mann in Loissel (Seine-Maritime) festgenommen. Bei ihm fand die Polizei „Schlüssel zu technischen SNCF-Räumen“, „Bolzenschneider, ein Universalschlüsselsatz sowie Literatur zur Ultragauche“, darunter das Buch von Romain Huët, „Le vertige de l’émeute: de la Zad aux Gilets jaunes“ (Das Schwindelgefühl des Aufruhrs: Von der Zad zu den Gelbwesten). Er wurde in Rouen in Gewahrsam genommen.
Hinzu kommt ein Bekennerschreiben, das am Freitag an mehrere Redaktionen gesendet wurde. Unterzeichnet von einer mysteriösen „délégation inattendue“, wird darin das Bahnnetz als Werkzeug des Kolonialismus beschrieben: „Die Eisenbahn ist keine harmlose Infrastruktur. Sie war immer ein Mittel zur Kolonisation neuer Territorien, eine Voraussetzung für deren Verwüstung und Ausbeutung und ein Weg für die Ausweitung des Kapitalismus und der staatlichen Kontrolle.“ Zudem wird die Austragung der Olympischen Spiele kritisiert: „Sie nennen es ein Fest? Wir sehen darin eine Feier des Nationalismus, eine gigantische Inszenierung der Unterwerfung der Bevölkerung durch die Staaten.“ Der Brief endet mit der Forderung nach dem „Untergang einer Welt, die auf Ausbeutung und Unterdrückung basiert“.
Die Spur der Ultra-Linken
Die Politologin Sylvie Ollitraut hält die verwendete Sprache für einen Hinweis auf die Beteiligung der Ultragauche: „Das könnte Ultragauche, antikapitalistische Netzwerke oder Personen sein, die eindeutig gegen die Formen der Globalisierung sind“, sagt die CNRS-Forscherin und Spezialistin für ökologische Bewegungen.
In letzter Zeit haben auch radikale Umweltschutzgruppen Sabotage zu einer ihrer Aktionsformen gemacht. Ein Beleg dafür ist der Erfolg des Buches des schwedischen Forschers Andreas Malm „How to Blow Up a Pipeline“ (2020). Der Aktivist, der eine Radikalisierung der Aktionsformen angesichts der Klimakrise verteidigt, sprach im März 2023 vor Unterstützern der Bewegung „Soulèvements de la Terre“ (vergleichbar mit der „Letzten Generation“ in Deutschland) in Paris. Diese radikale ökologische Bewegung, deren Auflösung vom Staatsrat wieder aufgehoben wurde, hat in der Vergangenheit mehrere Aktionen mit Sachbeschädigungen durchgeführt, darunter in einer Lafarge-Fabrik in Bouc-Bel-Air im Dezember 2022.
Dennoch zweifelt Sylvie Ollitraut an einem ökologischen Motiv hinter den SNCF-Sabotageakten: „Bisher war ökologische Sabotage meist auf ein Bauprojekt gerichtet, das umweltschädlich war. Im Gegensatz dazu gilt der Zug als umweltfreundliches Verkehrsmittel und wird daher von Umweltschützern befürwortet.“
Verdacht auf ausländische Manipulation und Einmischung
Auf France 2 erwähnte Innenminister Gérald Darmanin am Samstag die Möglichkeit einer ausländischen Beteiligung: „Wer ist verantwortlich? Entweder es kommt von innen, oder es wird aus dem Ausland gesteuert, es ist zu früh, das zu sagen.“
Seit Monaten sind die französischen Geheim- und Sicherheitsdienste sehr sensibel gegenüber ausländischen Einmischungen, insbesondere aus Russland. Vor wenigen Tagen wurde ein 40-jähriger Russe festgenommen und in Untersuchungshaft genommen, der verdächtigt wird, die Olympischen Spiele in Paris destabilisieren zu wollen. Zuvor wurden in Frankreich mehrere europäische Staatsangehörige nach verschiedenen Destabilisierungsaktionen verhaftet. Die Urheber blauer Davidsterne an den Wänden der Hauptstadt waren zum Beispiel ein moldawisches Paar. Ende Mai wurden drei Personen – ein Ukrainer, ein Deutscher und ein Bulgare – festgenommen, die verdächtigt werden, Särge unter dem Eiffelturm aufgestellt zu haben. Alles im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.
Obwohl Russland jede Beteiligung bestreitet, bleibt die ausländische Einmischung ein heikles und aktuelles Thema. Der Bulgare etwa gestand, mit 40 Euro bezahlt worden zu sein, um die Särge und deren Begleiter in die Hauptstadt zu transportieren. „Es gibt eine Art Uberisierung der Subversionsaktionen“, schätzt David Colon, Forscher an der Sciences-Po Paris. Der Sprecher des Kremls nannte die Vorwürfe „falsche Informationen“, die darauf abzielen, „Russland für alles verantwortlich zu machen, was passiert“.
Eine Sache ist sicher: Die Ausrichtung der Olympischen Spiele macht Frankreich zu einem bevorzugten Ziel für Destabilisierungsversuche. In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden auch die Glasfasernetze von Free und SFR in sechs Départements sabotiert. Die Pariser Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet.
Kann Frankreich sich vor solchen Attacken schützen? Es bleibt spannend abzuwarten, wie die Ermittlungen weitergehen und welche Maßnahmen zur Sicherung kritischer Infrastrukturen ergriffen werden.
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