Tag & Nacht




In der Nacht vom 14. auf den 15. April 2025 erschütterte eine tödliche Schießerei das Viertel Barriol in Arles. Zwei junge Männer – 23 und 22 Jahre alt – wurden in ihrem Fahrzeug angegriffen. Der Fahrer wurde in den Kopf getroffen und starb noch am Tatort. Sein Beifahrer erlitt eine Schussverletzung am Arm und kam ins Krankenhaus. Lebensgefahr besteht bei ihm nicht.

Beide Opfer sind der Polizei bestens bekannt – das deutet in eine klare Richtung.


Ein gezielter Anschlag – wie aus dem Nichts

Laut bisherigen Ermittlungen soll ein einzelner Täter das Feuer eröffnet haben. Fünf Patronenhülsen vom Kaliber 9 mm wurden am Tatort gefunden. Alles spricht für eine präzis geplante Tat. Kein wilder Schusswechsel, kein Zufall – sondern eine Hinrichtung auf offener Straße.

Die Polizei geht derzeit von einem klassischen Racheakt im Drogenmilieu aus. Ein weiterer Fall in einer langen Kette blutiger Abrechnungen, wie sie in der Region inzwischen fast zur traurigen Routine geworden sind.


Barriol – ein Viertel zwischen Angst und Hoffnungslosigkeit

Barriol gilt als sozial schwacher Stadtteil mit anhaltenden Problemen: Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, und mittendrin – ein florierender Drogenmarkt. Hier rekrutieren Dealer junge Menschen, hier werden Schulden nicht mit Mahnungen beglichen, sondern mit Kugeln.

Wer hier lebt, gewöhnt sich an Schüsse. „Wir schlafen mit dem Handy unterm Kopfkissen – für den Fall, dass wir fliehen müssen“, erzählt ein Anwohner. Polizei-Patrouillen gehören zum Alltag. Vertrauen in den Staat? Kaum noch vorhanden.


Staatliche Maßnahmen: Viel Polizei, wenig Wirkung

Die Behörden versuchen gegenzusteuern. Die Polizei ist mit erhöhter Präsenz im Viertel, Sondereinheiten ermitteln. Die Justiz setzt auf konsequente Strafverfolgung. Doch die Erfolge sind punktuell. Jeder zerschlagene Ring wird schnell durch neue Strukturen ersetzt – meist brutaler als zuvor.

Auch Prävention wird versucht: Projekte für Jugendliche, Sportvereine, Sozialarbeit. Aber gegen schnelle Geldversprechen und Gruppenzugehörigkeit im Drogenmilieu wirken diese Angebote oft hilflos.


Ein tödlicher Kreislauf

Der Fall von Arles reiht sich ein in eine ganze Serie ähnlicher Taten in Südfrankreich. Marseille, Nîmes, Perpignan – immer wieder kommt es dort zu Schießereien im Zusammenhang mit dem Drogenhandel. Und die Opfer werden immer jünger.

Der getötete Fahrer war gerade mal 23. Ein Alter, in dem das Leben eigentlich losgehen sollte. Stattdessen endete es mit einem Schuss in den Kopf – mitten in der Nacht, mitten im Viertel, mitten in Europa.


Wie weiter?

Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Das zuständige Kommissariat und die Polizeijudikative aus Bouches-du-Rhône sind mobilisiert. Ziel ist es, Täter und mögliche Hintermänner schnellstmöglich zu fassen. Doch selbst wenn das gelingt – das eigentliche Problem bleibt bestehen.

Kann man diese Gewaltspirale überhaupt noch stoppen? Oder ist sie längst fester Bestandteil einer Parallelwelt geworden, die mit der offiziellen Gesellschaft kaum noch Berührungspunkte hat?

Was es braucht, ist mehr als Polizeipräsenz. Es braucht neue Perspektiven, echten sozialen Wandel – und den Willen, auch die „vergessenen“ Stadtteile nicht aufzugeben.

Denn solange Kugeln statt Chancen verteilt werden, bleibt der nächste Schuss nur eine Frage der Zeit.

Von Andreas M. B.

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