Tag & Nacht

Jeremy Garamond, der in seiner Kindheit Opfer sexueller Übergriffe geworden war, wandte sich an die Zivilgerichtsbarkeit, um eine Entschädigung für strafrechtlich verjährte Taten zu erhalten.

Eine Verurteilung für Taten, die bis in die frühen 1990er Jahre zurückreichen. Ein Mann wurde am 17. November, von der vierten Kammer des Pariser Zivilgerichts wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige verurteilt, dreißig Jahre nach den Taten. Die Verurteilung durch die Ziviljustiz, über die der Sender BFMTV berichtete, erfolgte obwohl die Taten in den Augen der Strafjustiz verjährt waren. Die Nebenkläger bezeichneten die Entscheidung als „beispiellos“.

Der heute 46-jährige Jeremy Garamond war zwischen seinem 12. und 15. Lebensjahr wiederholt Opfer sexueller Übergriffe geworden. Der Missbrauch wurde José Bruneau de la Salle angelastet, einem engen Vertrauten der Familie und einer bekannten Figur aus der Welt des französischen Pferdesports. Jérémy Garamond beschuldigt ihn eines Dutzends sexueller Übergriffe in einem Auto sowie eines nächtlichen sexuellen Übergriffs im Jahr 1990. Gegen den Pferdezüchter liegt noch eine weitere Klage wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige vor.

Unterschiedliche Verjährungsfristen im Straf- und Zivilrecht
Das Opfer hatte seinem Vater damals davon erzählt, die Vorfälle dann aber jahrelang verdrängt. Das Opfer beschliesst 2018, sich an die Justiz zu wenden, fast dreißig Jahre nach den Ereignissen.

Ein zu großer Zeitraum für das französische Strafrecht, da die Taten strafrechtlich verjährt sind, was bedeutet, dass dort keine gerichtlichen Schritte mehr möglich sind. Angesichts dieser Verjährung gingen Jeremy Garamond und sein Anwalt in ein Zivilverfahren und bekamen Recht, wodurch der Angeklagte schlussendlich doch zur Verantwortung gezogen werden konnte.

„Es ist das erste Mal, dass eine solche Entscheidung in einem Zivilverfahren getroffen wurde“. (Olivier Pardo, Anwalt des Opfers gegenüber Franceinfo)

Der Rechtsverstoss im Zivilrecht wird ab dem sogenannten „Konsolidierungsdatum“ des Zustands des Opfers festgestellt, d. h. ab dem Zeitpunkt, an dem die persönlichen Folgen festgestellt sind und einen dauerhaften Charakter annehmen. In Frankreich tritt die Verjährung im Strafrecht zwanzig Jahre nach der Tat ein, wenn die Gewalt an einem Minderjährigen begangen wurde. In der Ziviljustiz tritt die Verjährung für denselben Sachverhalt zwanzig Jahre nach dem Zeitpunkt der „Konsolidierung“ ein und nicht zwanzig Jahre nach den Ereignissen. Von diesem Zeitpunkt an ist es möglich, den Grad der Folgen oder der Behinderung zu schätzen, der durch die in der Kindheit erlittenen sexuellen Übergriffe verursacht wurde.

Im vorliegenden Fall wurde die Schädigung bei Jeremy Garamond erst 2018 „konsolidiert“, dem Jahr, in dem er sich zum ersten Mal an die Justiz wandte. „Man kann einen Schaden nicht quantifizieren, solange er sich noch im Aufbau befindet“, wird Audrey Darsonville, Professorin für Strafrecht an der Universität Paris Nanterre, von Franceinfo zitiert.

Fast 103.000 Euro Entschädigung gefordert.
Um das Datum zu bestimmen, wurde ein Gutachten erstellt, das vom Opfer bezahlt werden musste. Der psychiatrische Sachverständige urteilte, dass sich der Schaden erst 2018 endgültig verfestigte und zeigte, dem Jahr, in dem sich das Opfer an die Justiz wandte. Die Taten sind daher zivilrechtlich nicht verjährt. Eine weitere Besonderheit dieses Prozesses war, dass die Fakten, die in der Gerichtsverhandlung verhandelt wurden, auf keiner vorherigen polizeilichen Untersuchung beruhten. „Es handelt sich um eine von uns selbst durchgeführte Untersuchung“, räumt der Anwalt ein.

Eine Anhörung zur Festlegung der Höhe des Schadensersatzes, der dem Opfer zu zahlen ist, soll in knapp zwei Monaten stattfinden, erklärt sein Anwalt gegenüber Franceinfo. Für die verschiedenen sexuellen Übergriffe, die er in seiner Kindheit erlitten hatte, forderte Jeremy Garamond eine Entschädigung von fast 103.000 Euro. Die bei der Gerichtsverhandlung festgelegte Summe werde an Vereine gespendet, versichert das Opfer. Da der Prozess in einem Zivilverfahren stattfand, zieht die Verurteilung keine Gefängnisstrafe nach sich. „Was mein Mandant wollte, war in erster Linie ein Gerichtsverfahren und die Anerkennung der Schuld des Schädigers“, erklärte Rechtsanwalt Olivier Pardo.

Diese Entscheidung, die in der Berufung und anschließend in der Kassation noch aufgehoben werden kann, ist für die Rechtsexpertin Audrey Darsonville „besonders interessant“. „Es ist eine Anerkennung der Existenz eines Schadens durch die Justiz. „Wenn die Taten im Strafrecht verjährt sind, kann dies eine Lösung für Opfer sein, die trotzdem eine Verurteilung wollen“, betont sie. Die Juristin schränkt aber ein: „Das kann nur von Fall zu Fall so sein, man darf nicht hoffen, dass es für alle und in allen Gerichtsbarkeiten anwendbar ist“.


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