Tag & Nacht

Frankreich ist weltweit die Nummer zwei im Wintertourismus – direkt hinter den USA. Doch diese Wintersport-Industrie steht vor einer existenziellen Herausforderung: der Klimawandel. In den Alpen auf niedriger und mittlerer Höhe hat sich die Schneesaison in den letzten fünfzig Jahren um einen ganzen Monat verkürzt. Einige Skigebiete kämpfen ums Überleben, andere ziehen die Notbremse. Wie kann es weitergehen?

Skifahren adé – und jetzt?

In der Skistation Grand Puy in den südlichen Alpen sind die Pisten verwaist. Keine Skifahrer, keine Skiverleihe – die Lifte bleiben endgültig geschlossen. „Wir verkaufen alles, was wir für den Skibetrieb gebraucht haben“, sagt Laurent Pascal, der Bürgermeister des Ortes. Der Grund: chronische Defizite, die immer größer wurden.

Die Schließung wurde per Referendum beschlossen, doch nicht alle Einheimischen sind glücklich darüber. Frédéric Bony, Besitzer des letzten verbliebenen Geschäfts – eines kleinen Restaurants namens Le Chalet – erinnert sich mit Wehmut: „Das war ein Schlag ins Gesicht. Aber was sollten wir tun? Aufgeben oder kämpfen? Wir haben uns für Letzteres entschieden.“

Um das Geschäft zu retten, setzt er auf neue Ideen: Nachtskifahren gibt es zwar nicht mehr, aber sein Restaurant lockt mit abendlichen Veranstaltungen Gäste aus benachbarten Skistationen an. Zudem entdeckt eine neue Zielgruppe die Region: Seit der Corona-Pandemie zieht es immer mehr Menschen in die Natur – weg von den überfüllten Skiorte.

Bürger kämpfen für ihre Skistationen

Nicht nur kleine Stationen sind betroffen. Auch größere wie Alpe du Grand Serre (Isère) standen kurz vor dem Aus. Anfang Oktober 2024 entschieden die lokalen Behörden, dass die Lifte nicht wieder in Betrieb genommen werden.

„Es ist das erste Mal, dass eine so große Station fällt“, sagt César Ghaouti mit Bedauern. Doch er und andere Einwohner der Gemeinde La Morte wollten sich nicht damit abfinden. Sie gründeten das Bürgerkollektiv La Morte Vivante und starteten eine Spendenkampagne. Das Ergebnis? 97.000 Euro von Privatpersonen – dazu weitere 450.000 Euro von Unternehmen, der Skischule und der Gemeinde.

Diese Initiative überzeugte die Lokalpolitiker, der Station eine letzte Chance zu geben. Arnaud Chattard, Tourismusbeauftragter der Region, erklärt: „Nicht nur die Bürger haben sich mobilisiert, sondern auch Ferienzentren, die bereits Skiurlaube verkauft hatten. Sie standen vor dem Problem, Stornierungen und Vertragsstrafen zahlen zu müssen – wir konnten sie nicht im Stich lassen.“

Vorerst bleibt die Alpe du Grand Serre bis September 2025 offen. Doch ohne Investoren droht das endgültige Aus.

Wenn Ehrenamtliche den Skibetrieb übernehmen

Noch drastischer ist die Lage in Planolet im Chartreuse-Massiv. Hier konnte sich die Gemeinde den Betrieb schlicht nicht mehr leisten. Doch statt aufzugeben, übernahmen die Einwohner selbst – ehrenamtlich.

Und sie sind nicht die Einzigen mit kreativen Lösungen. Auf der anderen Seite der Berge, in Saint-Pierre de Chartreuse, setzen zwei Unternehmer auf eine neue Strategie: weniger Winter, mehr Sommer. Vier Lifte wurden übernommen – mit dem Ziel, den Sommertourismus auszubauen.

Noch hinkt die warme Jahreszeit in Sachen Einnahmen hinterher. Laut der Nationalen Vereinigung der Bürgermeister von Bergstationen (ANMSM) bringt der Wintertourismus in Frankreich 11 Milliarden Euro ein, der Sommertourismus nur 3 Milliarden. Aber die Zahlen steigen: +10 % in 2021, +2 % in 2024.

Und es gibt ein Vorbild: Österreich. Dort hat der Sommertourismus inzwischen den Winter überholt. Ist das auch die Zukunft der französischen Alpen?

Von Andreas M. B.

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