Am 21. November stehen Frankreichs Zugverbindungen still – zumindest, wenn es nach den Gewerkschaften der SNCF geht. Sie haben zu einem Streiktag aufgerufen, um gegen den drohenden „Abbau von Fret SNCF“ (dem Güterverkehr der SNCF) und gegen die „schleichende Privatisierung im Regionalverkehr“ zu protestieren. In einer kämpferischen Ansage bezeichnen die Gewerkschaften den Streiktag als „Ultimatum“ und drohen, die Proteste ab Dezember zu intensivieren, sollte die Regierung den Forderungen nicht nachkommen.
Warum wird gestreikt?
Die geplanten Umstrukturierungen bei der SNCF sorgen für Unruhe und Ärger – nicht nur bei den Mitarbeitenden. Die Gewerkschaften, darunter CGT-Cheminots, Unsa-Ferroviaire, Sud-Rail und CFDT-Cheminots, haben nach Gesprächen mit der SNCF-Direktion klare Worte gefunden. Sie kritisieren, dass Fret SNCF, der staatliche Güterverkehr, faktisch „abgewickelt“ werde. Auch die Regionalverkehrsbereiche TER, Transilien und Intercités stünden durch den Wettbewerb und die zunehmende Einbindung privater Anbieter unter Druck. Dazu komme die geplante Umstrukturierung von SNCF Réseau, dem Infrastrukturbereich der Bahn, der ebenfalls unter das Damoklesschwert der Privatisierung falle.
Besonders brisant: Ab Mitte Dezember sollen erste Mitarbeiter von SNCF Voyageurs, also dem Personenverkehr der SNCF, in Tochterunternehmen wechseln, die für regionale Ausschreibungen im Wettbewerb antreten. Durch diese Ausgliederung sehen die Gewerkschaften die Einheit des öffentlichen Unternehmens in Gefahr und fürchten einen Verlust wichtiger sozialer Errungenschaften. Denn der geplante Übergang in private Strukturen könnte auch auf Kosten der bisherigen Arbeitsbedingungen und der Arbeitsplatzsicherheit gehen.
Ultimatum für die SNCF und die Regierung
Der kommende Streik am 21. November ist als starkes Signal an die Verantwortlichen gedacht. Die Gewerkschaften betonen, dass dies erst der Anfang eines größeren Kampfes sei – und nicht nur eine kurzfristige Aktion. Sollte es bis Dezember keine konkreten Antworten und Zugeständnisse vonseiten der SNCF oder der Regierung geben, planen die Gewerkschaften bereits eine Eskalation des Protests. Eine längere und umfangreichere Streikwelle, die in die Vorweihnachtszeit fällt, wäre dann nicht mehr ausgeschlossen.
Auswirkungen auf die Fahrgäste und die Politik
Der Streikaufruf trifft nicht nur die SNCF, sondern auch die vielen Pendler und Reisenden, die auf den Zugverkehr angewiesen sind. Besonders in der Vorweihnachtszeit sind gut funktionierende Zugverbindungen essenziell – nicht nur für Pendler, sondern auch für den Fernverkehr. Ein großangelegter Streik im Dezember könnte die öffentlichen Verkehrsnetze lahmlegen und würde die Regierung unter Zugzwang setzen.
Für die französische Regierung geht es dabei um weit mehr als nur um die SNCF. Die Umstrukturierungen bei der Bahn sind Teil eines umfassenderen Plans, der auf Wettbewerb und Effizienz setzt. Das Ziel: das Schienennetz in Frankreich zu modernisieren und den Service durch mehr Konkurrenz zu verbessern. Doch für die Gewerkschaften steht fest, dass der staatliche Charakter und die soziale Verantwortung des Unternehmens Vorrang haben sollten.
Was steckt hinter der Privatisierung im Regionalverkehr?
In den letzten Jahren hat sich die französische Bahnlandschaft stark verändert. Mit der EU-weiten Öffnung des Eisenbahnmarktes müssen auch die französischen Regionalverbindungen zunehmend für private Betreiber zugänglich gemacht werden. Die Regionen haben begonnen, Ausschreibungen für bestimmte Strecken zu starten – ein Schritt, der den Wettbewerb fördern soll. Für die SNCF bedeutet dies, dass sie sich durch die Gründung eigener Tochterunternehmen an diesen Ausschreibungen beteiligt.
Die Gewerkschaften befürchten jedoch, dass dieser Wettbewerb zulasten der Beschäftigten und der Betriebsstrukturen geht. Der Übergang in Tochtergesellschaften könnte die Arbeitsplatzsicherheit und die Tarifbedingungen der Mitarbeiter schrittweise aushöhlen, was als Angriff auf die „Einheit“ des staatlichen Unternehmens betrachtet wird.
Wie geht es weiter?
Der kommende Streik am 21. November ist ein deutliches Warnsignal. Die SNCF-Gewerkschaften machen klar, dass sie bereit sind, langfristig für ihre Forderungen zu kämpfen. Ob die Regierung und die SNCF-Führung darauf reagieren, bleibt abzuwarten.
Doch klar ist: Die Zukunft der SNCF steht an einem Scheideweg. Geht es in Richtung eines liberalisierten Marktes mit mehr Wettbewerb – oder bleibt die Bahn in ihrer bisherigen staatlichen Struktur verankert? Der kommende Monat wird entscheidend sein, sowohl für die SNCF als auch für die französische Verkehrspolitik.
Die nächsten Wochen dürften daher spannend bleiben – für Reisende und für die Politik.
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