Tag & Nacht

In Marseille wird die Frage sehr ernstgenommen: Was passiert mit den Tonnen von Sonnencreme, die jährlich im Mittelmeer landen? Forscher haben sich dieser Frage angenommen und sind auf der Spur eines Umwelträtsels, das sich auf den Stränden abspielt.

Der tägliche Sonnencreme-Kollaps

Sich vor UV-Strahlen zu schützen, ist heutzutage fast selbstverständlich. Doch was bedeutet das für unsere Umwelt? Nach Angaben des Instituts CNRS in Aix-en-Provence gelangen im Sommer täglich über 50 Kilogramm Sonnencreme ins Mittelmeer. Diese riesigen Mengen sind nicht nur schwer vorstellbar – sie haben auch ernsthafte Folgen für die dortige Biodiversität.

Am 28. August traf sich eine Gruppe von rund zwanzig Forschern am Strand der Catalans, mitten in Marseille, um genau diese Auswirkungen zu untersuchen. Das Projekt „Micro Beach“ wird von renommierten Institutionen wie dem Institut Méditerranéen d’Océanologie in Luminy, der Universität Toulon und der Fakultät für Naturwissenschaften in Marseille durchgeführt. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, was mit den Sonnencremerückständen passiert, sobald sie ins Meer gelangen.

Die Natur als Reinigungskraft?

Man könnte meinen, das Meer sei groß genug, um die Rückstände einfach zu verdünnen – doch weit gefehlt. „Wir wissen, dass Rückstände von Sonnencremes ins Wasser abgegeben werden, wenn Menschen baden“, erklärt Benjamin Misson, Dozent an der Universität Toulon. Aber was passiert danach? Können sich diese Rückstände im Sand oder im Boden anreichern? Um das herauszufinden, gräbt das Forscherteam Löcher, um Wasser- und Sandproben zu entnehmen. Diese Proben werden dann auf ihre Inhaltsstoffe und mögliche Abbauprozesse untersucht.

Denn neben dem eigentlichen Schutz vor UV-Strahlen bergen die Sonnencremes auch Gefahren. UV-Filter, die in den Produkten enthalten sind, blockieren nicht nur das Sonnenlicht auf unserer Haut, sondern auch im Wasser. Diese Blockade kann schwerwiegende Folgen für Meeresorganismen haben, die auf das Sonnenlicht angewiesen sind.

Gefährliche Inhaltsstoffe in Sonnencremes

Ein weiteres Problem ist die potenzielle Toxizität mancher Inhaltsstoffe. Laboruntersuchungen haben bereits gezeigt, dass bestimmte Moleküle in Sonnencremes giftig sein können – für Korallen und andere Meeresbewohner eine echte Bedrohung. Im aktuellen Projekt konzentrieren sich die Forscher jedoch nicht vorrangig auf die Toxizität, sondern darauf, wie sich die Substanzen in der Umwelt verhalten.

„Wir haben ein riesiges Feld zu erkunden“, betont Misson. Es bleibt zu klären, ob die Natur eine Möglichkeit findet, diese Rückstände abzubauen, oder ob sie sich langfristig anreichern und Schaden anrichten.

Der Mensch als Teil des Problems

Parallel zur wissenschaftlichen Untersuchung der Umwelt, wird auch das Verhalten der Strandbesucher unter die Lupe genommen. Samuel Robert, Geograf und Forschungsleiter am CNRS, führt dazu eine Verhaltensstudie durch. Mit Hut und Fragebogen ausgestattet, spricht er die Sonnenanbeter direkt am Strand an: „Schützen Sie sich vor der Sonne? Wann tragen Sie Sonnencreme auf – vor oder nach dem Schwimmen? Achten Sie auf Bio-Labels?“ Diese Fragen sollen Aufschluss darüber geben, wie sich das Verhalten der Menschen auf die Umwelt auswirkt.

Die Ergebnisse dieser Verhaltensstudie, kombiniert mit den wissenschaftlichen Analysen der Proben, könnten weitreichende Empfehlungen nach sich ziehen. Denkbar wären Hinweise, wie: „Tragen Sie keine Sonnencreme direkt vor dem Baden auf“ oder „Vermeiden Sie bestimmte chemische Inhaltsstoffe“.

Was bleibt?

Bis die Ergebnisse der Studie vorliegen, müssen wir uns noch bis Mai 2025 gedulden. Doch eins ist jetzt schon klar: Die Forschung am Strand der Catalans könnte nicht nur unsere Sicht auf Sonnencreme verändern, sondern auch zu neuen umweltfreundlichen Gewohnheiten führen.

Vielleicht sollten wir uns alle fragen – ist unser Sonnenschutz wirklich alternativlos oder gibt es andere Wege, sich vor der Sonne zu schützen, ohne die Meere zu belasten? Denn am Ende zählt nicht nur unsere Haut, sondern auch das Ökosystem, das wir schützen müssen.


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