Tag & Nacht




Einmal mehr steht Frankreichs Luftraum Kopf.

Am Donnerstag, den 3. Juli, bleibt es für viele Passagiere beim Warten am Gate oder sogar zu Hause. Grund ist ein massiver Streik der Fluglotsen, zu dem die Gewerkschaften UNSA-ICNA und USAC-CGT aufgerufen haben.

Die Folgen sind deutlich spürbar.

Die französische Luftfahrtbehörde DGAC forderte die Airlines auf, ihre Flugpläne drastisch zu kürzen. Ein Viertel aller Flüge ab Paris – also Charles-de-Gaulle, Orly und Beauvais – fällt aus. Noch härter trifft es andere Regionen: 30 Prozent der Verbindungen in Lyon, Marseille, Montpellier, Ajaccio und Figari werden gestrichen, in Nizza, Bastia und Calvi sogar die Hälfte.

Und das ausgerechnet jetzt, wo Frankreichs Schulen in die Sommerferien starten.

Für viele Familien und Reisende ist es ein harter Schlag. Koffer sind gepackt, Vorfreude bricht sich Bahn – doch dann heißt es: annulé.

Warum streiken die Lotsen?

Sie prangern einen chronischen Personalmangel an, dazu mangelhafte technische Ausrüstung und ein schlechtes Management in der DGAC. Hinter den Kulissen brodelt es seit Jahren, immer wieder flammt Unmut auf. Doch pünktlich zu Ferienbeginn erreicht er eine neue Dimension.

Ein Streik, der zum Symbol wird.

Er steht stellvertretend für ein System, das vielerorts ächzt: Überalterte Infrastrukturen, schleppende Digitalisierung und ein Umgangston, der wenig Raum für Motivation lässt. Zumindest, wenn man den Gewerkschaften glaubt.

Die DGAC versucht derweil, den Schaden zu begrenzen.

Ein Mindestbetrieb wurde eingerichtet, zusammen mit Eurocontrol werden Ausweichrouten geprüft, um den europäischen Luftraum nicht komplett lahmzulegen. Passagiere werden gebeten, Flüge zu verschieben oder sich direkt bei ihrer Airline zu informieren.

Doch wer verschiebt schon freiwillig seinen heißersehnten Urlaub?

Man hört sie leise fluchen, die Familien auf dem Weg nach Korsika, nach Portugal, nach Griechenland. Auch Geschäftsreisende sind betroffen, wenn Termine plötzlich platzen wie Seifenblasen.

Die Frage ist: Warum gelingt es Frankreich nicht, solche Streiks zu verhindern?

In kaum einem anderen europäischen Land wird der Luftverkehr so regelmäßig bestreikt. Hinter vorgehaltener Hand sprechen Beobachter von einer „kulturellen Eigenheit“: Frankreichs Gewerkschaften wahren mit Streiks ihren Einfluss und bringen ihre Anliegen auf die politische Agenda. Doch diesmal geht es nicht um ein bloßes Signal.

Die Fluglotsen fordern strukturelle Lösungen, mehr Personal, verlässliche Technik – kurz: ein System, das nicht permanent am Limit läuft. Wer jemals das Fluglotsenzentrum in Athis-Mons bei Paris besucht hat, weiß, was sie meinen: konzentrierte Stille, flimmernde Radarschirme, Menschen, die mit einer kleinen Entscheidung Tausende Reisende sicher lenken.

Ein Knochenjob mit enormer Verantwortung.

Frankreichs Regierung steht unter Druck. Einerseits darf der Luftverkehr nicht als Dauerkrisenbranche erscheinen, andererseits kosten Ausfälle und Verspätungen die Wirtschaft Millionen. Währenddessen verlieren Passagiere Vertrauen, Airlines drohen Reputationsschäden, und das Tourismusland Frankreich kratzt sich am Kopf.

Es braucht Lösungen, keine Flickschusterei.

Die Gewerkschaften fordern Verhandlungen auf Augenhöhe. Doch auch in der DGAC wächst der Frust über eine Modernisierung, die nur schleppend vorankommt. Veraltete Systeme, die dringend ersetzt werden müssten, ziehen sich über Jahre hinweg. Ein Insider sagte einmal: „Wir arbeiten hier mit Windows 95-Feeling und iPhone-Ansprüchen.“

Treffender lässt es sich kaum sagen.

Und so bleibt der Donnerstag ein Tag der stornierten Abfluganzeigen und der Menschen, die enttäuscht mit ihrem Rollkoffer wieder umkehren. Ob es bald eine Einigung gibt?

Das bleibt offen. Klar ist nur: Ohne konstruktiven Dialog drohen Frankreich weitere Streiks dieser Größenordnung. Und wer möchte schon, dass der erste Ferientag mit einem lauwarmen Kaffee am Flughafen statt mit einem Sprung ins kühle Meer beginnt?

Autor: Andreas M. Brucker

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