Die Überfahrt über den Ärmelkanal wird für viele Migranten zur letzten Reise. So erging es auch Nguyen Huy Long, der bei einem Schiffsunglück in der Nacht vom 14. auf den 15. September 2023 ums Leben kam. Seine Familie kämpft seitdem darum, seine sterblichen Überreste nach Vietnam zu überführen – ein verzweifelter Kampf gegen bürokratische Hürden und die Gleichgültigkeit der Behörden.
Der dramatische Vorfall
Nguyen Huy Long war einer von vielen Migranten, die ihr Leben riskierten, um über den Ärmelkanal nach England zu gelangen. Das Boot, auf dem er und andere Geflüchtete unterwegs waren, kenterte vor der Küste von Ambleteuse im Pas-de-Calais. Acht Menschen fanden den Tod, darunter auch Nguyen Huy Long.
Für seine Familie begann mit der Nachricht von seinem Tod ein Albtraum, der bis heute anhält. Sie möchten ihn nach Hause holen – zurück nach Vietnam, wo seine Asche im Kreise seiner Liebsten beigesetzt werden soll. Doch die französischen Behörden erschweren diese letzte Reise auf unerträgliche Weise.
Ein Kampf gegen die Bürokratie
Seit September versucht die Familie, mit Unterstützung von Pham Xuan Phat, einem in Frankreich lebenden Landsmann, die Überführung der sterblichen Überreste zu organisieren. Sie wandten sich an die maritime Präfektur, die zuständigen Justizbehörden in Pontoise und sogar an die Staatsanwaltschaft von Boulogne-sur-Mer. Doch ihre Bemühungen stießen bislang auf taube Ohren oder wurden von einer Behörde zur nächsten weitergeleitet.
Pham Xuan Phat beschreibt die Situation eindringlich: „Die Familie ist im völligen Ausnahmezustand. Sie haben nicht einmal die Gewissheit, dass die Asche vor dem vietnamesischen Neujahrsfest am 29. Januar ankommt.“ Dieser Tag, bekannt als Tết, hat im vietnamesischen Kulturkreis eine immense symbolische Bedeutung und markiert einen Moment des Gedenkens und der Zusammenkunft.
Behördliche Gleichgültigkeit?
Obwohl die maritime Präfektur und die Justizbehörden kontaktiert wurden, bleibt der Fall ungelöst. Die maritime Präfektur verweist auf das Gericht in Boulogne-sur-Mer, während die Staatsanwaltschaft auf Anfragen schlicht nicht reagiert. Diese Passivität und die bürokratische Trägheit sind für die Familie nicht nur eine praktische Herausforderung, sondern auch ein Akt der Respektlosigkeit gegenüber dem Verstorbenen und seinen Angehörigen.
Ein größerer Kontext von Leid
Nguyen Huy Long ist kein Einzelfall. Tragödien wie diese sind in den letzten Jahren häufiger geworden, da immer mehr Migranten versuchen, über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen. Diese gefährliche Route wird oft als „tödlichste Seestraße Europas“ bezeichnet. Schlechte Wetterbedingungen, überfüllte Boote und unzureichende Sicherheitsvorkehrungen führen immer wieder zu Katastrophen.
Doch das Drama endet nicht mit dem Tod. Die bürokratischen Hürden, mit denen Familien konfrontiert werden, um die Leichname ihrer Angehörigen zu repatriieren, sind ein weiteres Kapitel des Schmerzes. Warum dauert es so lange, einen solchen Fall zu lösen? Liegt es an mangelnder Prioritätensetzung, fehlender Koordination oder gar an der Unsichtbarkeit der Opfer in den Augen der Behörden?
Menschliche Würde: Eine Frage der Verantwortung
Dieser Fall wirft grundlegende Fragen zur Menschlichkeit und Verantwortlichkeit auf. Jede Person, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem rechtlichen Status, verdient es, mit Würde behandelt zu werden – auch im Tod. Für die Familie von Nguyen Huy Long ist die Rückführung seiner sterblichen Überreste kein Luxus, sondern ein Akt des letzten Respekts.
Aber was geschieht, wenn Behörden sich dieser Verantwortung entziehen? Die Gleichgültigkeit, die die Familie erfährt, zeigt, wie Migranten oft nicht als Menschen, sondern als bloße Zahlen in einer Statistik wahrgenommen werden.
Ein Appell an die Menschlichkeit
Die verzweifelte Lage der Familie Nguyen ist eine Erinnerung daran, wie wichtig es ist, Menschlichkeit über bürokratische Prozesse zu stellen. Der Fall fordert uns alle heraus, unsere Haltung gegenüber Migranten und den Umgang mit ihren Rechten zu überdenken. Wie wir mit den Schwächsten umgehen, sagt viel über die Gesellschaft aus, die wir sein wollen.
Die Zeit drängt – der Tết steht vor der Tür, und die Familie hofft auf ein Zeichen von Mitgefühl und Unterstützung. Es ist an den französischen Behörden, zu handeln und zumindest im Tod eine Brücke zu bauen, die Nguyen Huy Long endlich nach Hause bringt.
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