Laufschuhe an, Rucksack geschnallt – und ab geht’s ins Abenteuer: Trailrunning boomt in Frankreich wie nie zuvor. Die Bewegung, die einst eine Nische war, ist heute zum Massenphänomen geworden. Sie verändert nicht nur die Sportlandschaft, sondern auch ganze Regionen – und das mit bemerkenswerter Geschwindigkeit.
Aus Leidenschaft wird eine Bewegung
Vor fünfzehn Jahren schien es noch unvorstellbar: dass Zehntausende Franzosen freiwillig stundenlang durch Wälder, über Berge und Täler rennen würden – auf oft schlammigen, steilen Pfaden. Heute zählt der französische Trailkalender mehr als 4.200 Rennen jährlich, das entspricht über 80 Events pro Woche. Verrückt, oder?
Allein der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) ist inzwischen ein internationales Spektakel mit einem geschätzten Wirtschaftseffekt von 13,6 Millionen Euro für die betroffenen Regionen. Kein Wunder, dass Trailrunning längst nicht mehr nur ein Hobby für Naturliebhaber ist, sondern auch ein Wirtschaftsmotor.
Tourismus 2.0: Die neue Magie des Wanderschritts
Der Wandel der Trailbewegung hat auch Frankreichs Regionen erreicht. Trailrunning wird gezielt eingesetzt, um abgelegene Gebiete touristisch aufzuwerten. Bestes Beispiel: die Trailstation in Niort-Marais Poitevin. Dort gibt’s 19 beschilderte Strecken mit insgesamt 300 Kilometern – und das lockt nicht nur Sportfans an, sondern belebt auch Gasthäuser, Cafés und den Einzelhandel.
Diese Entwicklung hat noch einen schönen Nebeneffekt: Immer mehr Natur- und Kulturschätze, die zuvor ein Schattendasein führten, rücken ins Rampenlicht. Läufer erleben die Vielfalt Frankreichs hautnah – und zwar jenseits der touristischen Trampelpfade.
Einfach anfangen? Jein!
Man könnte denken: Schuhe anziehen und losrennen – so simpel ist Trailrunning. In der Theorie stimmt das. In der Praxis braucht man aber mehr: Training, Durchhaltevermögen und ein ordentliches Maß an Respekt vor der Natur.
Denn viele Strecken sind technisch anspruchsvoll, mit Wurzeln, Steinen und krassen Höhenunterschieden. Doch genau das scheint den Reiz auszumachen. Immer mehr Menschen – auch jenseits der sportlichen Elite – stellen sich der Herausforderung. Und ja, Trailrunner sind bereit, dafür tief in die Tasche zu greifen: Im Schnitt investieren sie rund 1.000 Euro pro Jahr in Ausrüstung, Startgelder und Reisen.
Was dabei auffällt: Ein großer Teil der Community stammt aus gut situierten Verhältnissen – über 50.000 Euro Jahreseinkommen sind keine Seltenheit. Trailrunning ist also nicht nur ein Abenteuer, sondern oft auch ein Lifestyle.
Wachstum mit Nebenwirkungen
Doch wo viele Menschen auf engem Raum Natur erleben, entstehen Konflikte. Die explosionsartige Zunahme an Wettkämpfen führt stellenweise zu Überlastung – für Wege, Infrastruktur und nicht zuletzt für die Organisatoren.
Ein Beispiel: Der UTMB wird nicht nur für seine Professionalität gefeiert, sondern auch für seine aggressive Expansionspolitik kritisiert. Durch Aufkäufe und Franchise-Modelle geraten lokale Rennen unter Druck. Das sorgt für Spannungen – und für Diskussionen über die Zukunft des Trailsports.
Und dann ist da noch das Thema Umwelt. Wenn Tausende von Läufern durch sensible Landschaften rennen, bleibt das nicht ohne Spuren. Tiere werden gestört, Wege erodieren, Pflanzen leiden. Doch es geht auch anders: Der Éco-Trail de Paris zeigt, dass man große Events auch nachhaltig gestalten kann – mit Müllsammelaktionen, Aufklärung und ökologischer Rücksicht.
Zwischen Freiheit und Verantwortung
Was bleibt vom Trail-Hype in Frankreich? Klar ist: Diese Sportart verbindet Bewegung, Naturerlebnis und persönliche Grenzerfahrung wie kaum eine andere. Und sie bringt Regionen wirtschaftlich auf Trab, die sonst abgehängt wären.
Gleichzeitig braucht es ein Bewusstsein für die Schattenseiten: für Umweltauswirkungen, für den Verlust des ursprünglichen Geistes und für die Kommerzialisierung. Nur wenn diese Herausforderungen mitgedacht werden, kann Trailrunning auch langfristig der Weg zu einem neuen, nachhaltigeren Tourismus sein.
Und: Wer einmal im Morgengrauen durch einen nebelverhangenen Pinienwald gelaufen ist, der weiß – da draußen wartet etwas, das kein Fitnessstudio der Welt bieten kann.
Von Andreas M. Brucker
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