Ein leiser Abschied – zumindest für Passagiere, die regelmäßig von Paris-Orly mit Air France flogen. Ab dem 29. März 2026 übergibt die französische Traditionsfluggesellschaft mehrere innerfranzösische Strecken an ihre Billigtochter Transavia France. Eine Entscheidung, die nicht aus einer Laune heraus entstand, sondern das Ergebnis kluger Strategie ist – und einiger harter Realitäten.
Denn das Flugverhalten der Menschen hat sich verändert. Die Nachfrage nach Inlandsflügen ist eingebrochen. Warum noch fliegen, wenn man via Zoom konferieren kann? Der TGV bringt einen zudem oft schneller, entspannter und nachhaltiger ans Ziel.
Also zieht Air France die Reißleine und gibt die Verbindungen von Paris-Orly nach Toulouse, Marseille und Nizza ab. Diese übernimmt Transavia – mit deutlich günstigeren Preisen und neuen Versprechen an ihre Kunden.
Die neue Aufstellung im französischen Luftraum
Air France konzentriert sich künftig stärker auf das Drehkreuz Paris-Charles-de-Gaulle. Von dort aus starten künftig nicht nur internationale Langstreckenflüge, sondern auch Verbindungen zu französischen Überseegebieten wie Guadeloupe, Martinique und La Réunion. Orly wird für Air France zur Nebensache – oder besser: zur Spielwiese von Transavia.
Transavia hingegen stockt auf. Täglich bis zu acht Flüge nach Nizza und Toulouse, dazu zwei pro Tag nach Marseille – und das zu Einstiegspreisen ab 45 Euro pro Strecke. Was nach Billigflieger klingt, wird mit Komfort und Service kombiniert. Die Abflüge erfolgen künftig vom Terminal Orly 2, mit besten Verbindungen zur Metro-Linie 14. Wer also in Paris wohnt, ist in unter einer halben Stunde am Gate.
Fliegen zum kleinen Preis – mit Business-Class-Flair?
Transavia will aber nicht nur Urlauber und Schnäppchenjäger ansprechen. Auch Geschäftsreisende sollen sich wohlfühlen. Im April 2026 eröffnet am Flughafen Orly ein neuer Lounge-Bereich – exklusiv für Transavia-Kunden. Zusätzlich gibt es flexiblere Umbuchungsoptionen.
Klingt fast zu gut, um wahr zu sein? Ein bisschen Skepsis bleibt angebracht.
Zwischen Euphorie und Existenzängsten
Denn nicht alle begrüßen die Neuausrichtung mit offenen Armen. Gewerkschaften schlagen Alarm – vor allem wegen möglicher Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen. Mitarbeitende, die bislang für Air France am Standort Orly tätig waren, sehen sich mit unsicheren Perspektiven konfrontiert.
Auch politische Stimmen mischen sich ein. Einige Regionalpolitiker befürchten eine Ausdünnung der Infrastruktur in ihren Regionen. Besonders dann, wenn weniger Flüge zur Verfügung stehen oder Direktverbindungen ganz entfallen.
Das neue Reiseverhalten diktiert die Regeln
Trotz aller Kritik – der Schritt von Air France ist nachvollziehbar. Die Welt des Reisens hat sich gewandelt. Umweltbewusstsein, Schnelligkeit und Preis spielen eine größere Rolle denn je. Die klassische Inlandsfliegerei, wie sie vor zehn Jahren noch selbstverständlich war, passt nicht mehr in die heutige Zeit.
Mit Transavia bringt der Konzern eine moderne Antwort auf neue Bedürfnisse ins Spiel. Billiger, flexibler, urbaner. Der Flug soll nicht mehr Prestigeprojekt, sondern Mittel zum Zweck sein. Das klingt nüchtern – ist aber realistischer als nostalgische Vorstellungen vom goldenen Zeitalter des Fliegens.
Zukunft im Sinkflug – oder Auftrieb durch Wandel?
Ob die Strategie aufgeht, wird sich zeigen. Klar ist: Der französische Flugmarkt wird durchgeschüttelt. Wer sich nicht anpasst, bleibt zurück. Air France-KLM hat sich für den Umbau entschieden – mit Transavia als Zugpferd auf kurzen Strecken.
Für Vielflieger könnte das bedeuten: Weniger Komfort, dafür mehr Optionen. Und für Angestellte? Eine Phase des Umbruchs mit ungewissem Ausgang.
Aber wer weiß – vielleicht wird gerade aus dieser Zäsur etwas Gutes geboren. Ein neues Gleichgewicht zwischen Zug und Flug, zwischen Preis und Service, zwischen Stadt und Land.
Oder um es in einem Satz zu sagen: Wer hoch hinaus will, muss manchmal tief ansetzen.
Von Andreas M. Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!