Tag & Nacht




Donald Trump inszeniert sich als Architekt eines historischen Neubeginns im Nahen Osten. Doch hinter der Inszenierung bleiben zentrale Konflikte ungelöst – und alte Muster kehren rasch zurück.

Nach wochenlangen Verhandlungen verkündete Donald Trump einen befristeten Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas – begleitet von der Freilassung israelischer Geiseln, vagen Zusagen zur Entwaffnung der Hamas und einem groß inszenierten Friedensgipfel im ägyptischen Scharm al-Scheich. Der ehemalige US-Präsident, der sich bereits im Wahlkampf für 2026 befindet, sprach in der Knesset vom „historischen Morgengrauen eines neuen Nahen Ostens“. Der Jubel seiner israelischen Gastgeber und mediale Bilder befreiter Geiseln unterstrichen den symbolischen Moment – doch politisch bleiben viele Fragen offen.

Ein Waffenstillstand ohne Verankerung

Zwar markiert das Ende der akuten Kampfhandlungen nach fast zwei Jahren Krieg im Gazastreifen eine wichtige Wegmarke. Die Erleichterung unter Familienangehörigen der Geiseln und auch unter vielen Palästinensern in Gaza ist spürbar. Doch von einem nachhaltigen Frieden kann kaum die Rede sein. Während in Washington bereits über einen Wiederaufbauplan gesprochen wird, feuerten israelische Soldaten erneut auf Palästinenser, die sich Armee-Stellungen genähert haben sollen. Gleichzeitig kündigte die israelische Regierung an, die Zahl der Hilfstransporte in den Gazastreifen zu begrenzen.

Hinzu kommt: Weder Vertreter der Hamas noch der israelischen Regierung nahmen am ägyptischen Gipfel teil. Der Waffenstillstand beruht auf einer fragilen Vereinbarung, vermittelt durch Katar, Ägypten und die Türkei – nicht auf einem formellen Vertrag zwischen den Konfliktparteien. Zwar gab es vonseiten Washingtons mündliche Zusicherungen, dass Israel die Kampfhandlungen nicht sofort wieder aufnimmt. Doch schriftliche Garantien, wie von der Hamas gefordert, blieben aus.

Ein politischer Balanceakt für Netanjahu

Die Rolle des israelischen Premierministers bleibt ambivalent. Zwar ließ sich Benjamin Netanjahu unter internationalem Druck auf die Feuerpause ein – gegen den erklärten Willen seines rechtsnationalen Regierungslagers, das die vollständige Vernichtung der Hamas fordert. Doch politische Beobachter in Israel vermuten taktisches Kalkül. Netanjahus Popularitätswerte sind niedrig, mehrere Korruptionsprozesse belasten sein Amt, und die nächste Wahl steht für 2026 im Raum.

Der Konflikt mit der Hamas diente Netanjahu bereits mehrfach als innenpolitisches Ablenkungsmanöver. Dass er mittelfristig wieder auf Eskalation setzt, ist keineswegs ausgeschlossen. „Wenn sich in einigen Wochen zeigt, dass der Krieg nur eine weitere Runde war – und Hamas weiter existiert –, wird Netanjahu versuchen, das zu korrigieren“, sagte der Nahost-Experte Nimrod Novik dem New York Times. Auch Nimrod Goren vom israelischen Thinktank Mitvim warnt vor wahlstrategischer Eskalation.

Friedensplan mit schwacher Grundlage

Trump präsentiert derweil einen eigenen „20-Punkte-Plan“ für den Nahen Osten. Zentraler Bestandteil ist eine vage formulierte Perspektive auf „palästinensische Selbstbestimmung“ und ein zukünftiger Staat – ein Thema, das von der arabischen Welt seit Jahrzehnten eingefordert wird. Doch gerade hier zeigen sich die Grenzen von Trumps Ansatz.

Israels Regierung lehnt eine Zwei-Staaten-Lösung dezidiert ab, und auch innerhalb der Trump-nahen außenpolitischen Kreise ist davon wenig zu hören. Stattdessen wird der Wiederaufbau des Gazastreifens in erster Linie als Investitionsprojekt gesehen. Trumps Vertraute Mike Huckabee und David Friedman – beide prominente Unterstützer der israelischen Siedlungsbewegung – traten am Wochenende bei einer Veranstaltung auf, bei der sie in einem umgedichteten Lied französische und UN-Initiativen zur Zwei-Staaten-Lösung verspotteten und Trumps Rückendeckung für Israels Territorialansprüche lobten.

Die Kluft zwischen Israel und der arabischen Welt

Die politische Diskrepanz zwischen dem Trump-Lager, Israel und den arabischen Staaten wird zunehmend offensichtlich. Während Trump auf eine rasche Ausweitung der Abraham-Abkommen und ein Wiedererstarken US-israelischer Allianzen setzt, pochen Jordanien, Ägypten und andere arabische Akteure auf eine ernsthafte Friedenslösung. „Er weiß, dass es nicht nur um Gaza geht“, betonte Jordaniens König Abdullah II. im Interview mit der BBC. „Es gibt keinen Frieden in der Region ohne eine Zukunft für die Palästinenser.“

Auch diplomatische Beobachter bezweifeln, dass Trumps Regierung – sollte er erneut ins Weiße Haus einziehen – die politische Substanz für eine nachhaltige Nahoststrategie mitbringt. „Sie haben die Normalisierung zwischen Israel und arabischen Staaten überverkauft – und die Frage der palästinensischen Staatlichkeit unterschätzt“, sagte Barbara Leaf, Nahost-Beauftragte der Biden-Regierung, dem Sender CNN.

Der Tag danach bleibt unklar

Trump selbst scheint sich bereits neuen Projekten zuzuwenden – etwa einer geplanten Ausweitung der Abraham-Abkommen oder gar einem Friedensnobelpreis, wie sein Umfeld offen andeutet. Doch ob seine Regierung – erneut oder weiterhin – die Kraft hat, das schwierige Terrain des „Tags danach“ in Gaza und der Westbank diplomatisch zu gestalten, ist zweifelhaft.

Wie in früheren US-Administrationen zeigt sich: Den Krieg zu beenden, ist nicht die eigentliche Herausforderung. Der eigentliche Test steht erst bevor – nämlich der Aufbau einer tragfähigen Friedensordnung, die auch der palästinensischen Seite eine glaubwürdige Perspektive eröffnet. Bisher ist davon wenig zu sehen.


Machtverschiebung in Madagaskar

Während im Nahen Osten neue Machtverhältnisse verhandelt werden, zeigt sich auch in anderen Weltregionen eine Erosion etablierter Ordnungen. In Madagaskar hat das Militär die Kontrolle über das Land übernommen und nahezu alle staatlichen Institutionen außer dem Unterhaus des Parlaments aufgelöst. Dieses stimmte am Dienstag für die Amtsenthebung von Präsident Andry Rajoelina – damit endet die über ein Jahrzehnt andauernde Herrschaft eines Mannes, der selbst durch einen Putsch an die Macht gelangt war.

Rajoelina teilte mit, er befinde sich aus Angst um sein Leben an einem unbekannten Ort im Untergrund. Zuvor hatten sich Proteste über fast drei Wochen hinweg landesweit ausgebreitet – angeführt vor allem von jungen Menschen. Am Wochenende brach schließlich eine Eliteeinheit des Militärs, CAPSAT, mit der Regierung und schloss sich den Demonstrationen an.

Das Beispiel Madagaskars reiht sich ein in eine wachsende Zahl jugendgetragener Protestbewegungen – etwa in Nepal, Marokko oder Kenia –, die sich gegen Korruption, Perspektivlosigkeit und autoritäre Strukturen richten. Sie zeugen von einem wachsenden Unmut einer Generation, die politische und wirtschaftliche Teilhabe einfordert – nicht selten unter hohem Risiko.

Trump: Außenpolitische Widersprüche und neue Fronten

Auch an anderer Stelle offenbart sich die Widersprüchlichkeit von Trumps außenpolitischem Kurs. So gab er bekannt, die US-Streitkräfte hätten vor der venezolanischen Küste sechs mutmaßliche Drogenschmuggler getötet – Teil einer Serie militärischer Operationen, die seit September 27 Todesopfer forderten. Die rechtliche Grundlage dieser Einsätze wird zunehmend hinterfragt, da sie ohne völkerrechtlich gesicherte Mandate erfolgen.

Zugleich kündigte Trump ein 20-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für Argentinien an – explizit zur Unterstützung von Präsident Javier Milei, einem politischen Verbündeten, der sich mit wachsendem innenpolitischen und wirtschaftlichen Druck konfrontiert sieht. Pikant ist: Das Paket steht im Kontrast zu Trumps „America First“-Rhetorik, und US-amerikanische Landwirte, die bislang auf Entlastungen im Handelskonflikt warten, zeigen sich zunehmend ungeduldig.

Medienfreiheit unter Druck

In den USA selbst spitzt sich der Konflikt zwischen der Regierung und den Medien weiter zu. Führende US-Sender – darunter Fox News, ABC, CBS und NBC – verweigerten jüngst die Unterzeichnung einer neuen Pressepolitik des Verteidigungsministeriums. Diese sieht vor, Journalist:innen den Zugang zu Informationen zu verweigern, die nicht offiziell vom Pentagon freigegeben wurden – ein massiver Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit. Medien, die nicht unterschreiben, verlieren künftig ihre Presseakkreditierung beim Verteidigungsministerium.

China setzt auf wirtschaftliche Hebel

In einem geopolitisch brisanten Schritt hat China seine Exportkontrollen für seltene Erden drastisch verschärft – ein Gegenschlag zu westlichen Sanktionen im Technologiesektor. Die Maßnahme traf die USA überraschend, ist jedoch das Resultat einer mehrjährigen Strategie Pekings: Während Washington den Export von Hochtechnologie wie Halbleitern einschränkt, nutzt China seine marktbeherrschende Stellung bei strategischen Rohstoffen als Druckmittel.

Seltene Erden sind für moderne Technologien unverzichtbar – von Smartphones bis zu Flugzeugtriebwerken. Mit den neuen Kontrollen testet China seine Hebelwirkung auf dem geopolitischen Schachbrett – und signalisiert zugleich, dass ökonomische Abhängigkeiten längst Teil strategischer Machtprojektion geworden sind.

Autor: P. Tiko

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