In Frankreich hat sich Jordan Bardella zum neuen Hoffnungsträger der extremen Rechten stilisiert. Doch mit seiner offenen Nähe zu Donald Trump begibt sich der Vorsitzende des Rassemblement National auf einen gefährlichen politischen Kurs. Denn der Schulterschluss mit einem in Frankreich hochgradig unpopulären US-Präsidenten wirft Fragen auf – zur außenpolitischen Orientierung, zur Glaubwürdigkeit nationalistischer Rhetorik und zum Spannungsverhältnis zwischen europäischer Selbstbehauptung und transatlantischer Gefolgschaft.
Ein Schulterschluss in der Rhetorik
Donald Trump hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er rechtspopulistische Kräfte in Europa unterstützt – ob in Ungarn, Polen oder zuletzt Frankreich. In einem Interview mit der BBC am 11. Dezember 2025 bekundete Jordan Bardella seine grundsätzliche Zustimmung zur Sichtweise des Republikaners, der die USA mit rechtspopulistischen Ideen regiert. Besonders auffällig ist, dass Bardella Begriffe wie „immigration massive“ und „effacement civilisationnel“ übernimmt – narrative Eckpfeiler der „Great Replacement“-Theorie, einer in rechten Kreisen verbreiteten Verschwörungserzählung, wonach die europäische Bevölkerung durch Zuwanderung schleichend ersetzt werde.
Dass Bardella diese Formulierungen aufgreift, ist bezeichnend. Denn sie schlagen eine ideologische Brücke zwischen der amerikanischen „Make America Great Again“-Bewegung und der französischen Rechten, wie sie seit Jahrzehnten von der Familie Le Pen geprägt wird. Der Schulterschluss erfolgt dabei nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern auch durch persönliche Begegnungen – etwa mit dem britischen Brexit-Aktivisten Nigel Farage in London oder durch Bardellas Teilnahme an der CPAC, der Jahreskonferenz der US-amerikanischen Ultrakonservativen, im Februar 2025 in Washington.
Ein riskanter Verbündeter
Doch dieser Schulterschluss birgt Risiken. Donald Trump bleibt eine der umstrittensten Persönlichkeiten der internationalen Politik – und ist in Frankreich ausgesprochen unbeliebt. Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage vom Dezember 2025 haben lediglich 18 Prozent der Französinnen und Franzosen ein positives Bild von ihm. Seine polarisierende Art, seine Angriffe auf demokratische Institutionen sowie seine wirtschaftspolitische Konfrontation mit Europa stehen im klaren Widerspruch zu den Positionen, die Bardella in seiner Rolle als Verteidiger französischer Interessen einnimmt.
Der Widerspruch ist offensichtlich: Einerseits präsentiert sich Bardella als patriotischer Franzose, der „die Interessen der Nation“ über alles stellt. Andererseits sucht er offen die Nähe eines Mannes, der wiederholt betont hat, dass er Europa wirtschaftlich und geopolitisch kleinhalten will. Trumps Handelskrieg mit der EU, seine Kritik am NATO-Bündnis, seine offene Parteinahme für nationale Alleingänge widersprechen der Idee eines starken Europas – selbst aus souveränistisch-nationaler Perspektive.
Die alte Erzählung von der „Partei der Ausländer“
Diese Ambivalenz nährt ein historisch tief verankertes Misstrauen. Bereits im 19. Jahrhundert wurde die extreme Rechte in Frankreich regelmäßig mit dem Vorwurf konfrontiert, im Dienst ausländischer Interessen zu stehen. Der Begriff „parti de l’étranger“ war eine gängige Diffamierungslinie gegenüber Monarchisten, Klerikalen oder später auch Faschisten, denen eine zu große Nähe zu fremden Mächten wie dem Deutschen Reich oder dem Vatikan vorgeworfen wurde.
Heute droht dem Rassemblement National, in eine ähnliche Logik zu geraten. Wer sich allzu demonstrativ an Trump und seine Entourage anlehnt – inklusive eines Steve Bannon, der bei der oben erwähnten Konferenz in Washington mit einem Nazi-Gruß für einen Skandal sorgte –, riskiert, sich selbst aus dem Lager des französischen „patriotisme républicain“ herauszukatapultieren. Denn politische Glaubwürdigkeit in Frankreich hängt maßgeblich davon ab, ob man das nationale Interesse glaubhaft vertreten kann – auch gegenüber vermeintlichen Freunden.
Ein Balanceakt zwischen Populismus und Regierungsfähigkeit
Seit Marine Le Pen den „Entteufelungsprozess“ des Rassemblement National vorangetrieben hat – im französischen Original als „dédiabolisation“ bezeichnet – bemüht sich die Partei um Respektabilität und Regierungsfähigkeit. Bardella gilt als das neue Gesicht dieser Strategie: rhetorisch geschliffen, äußerlich moderat, medienaffin. Doch mit der Rückkehr zur martialischen Sprache Trumps gefährdet er dieses Image. Die „Strategie der Krawatte“, wie sie Gründungsvater Jean-Marie Le Pen einst spöttisch nannte, gerät ins Wanken, wenn die Inhalte nicht mit der äußeren Form übereinstimmen.
Der Fall zeigt exemplarisch das Dilemma rechtspopulistischer Bewegungen in Europa: Der Schulterschluss mit ideologischen Verbündeten jenseits des Atlantiks mag kurzfristig mobilisierend wirken – er stellt aber mittelfristig die Frage, ob nationale Interessen wirklich im Zentrum stehen oder ob es sich um ein internationales Netzwerk handelt, das nationale Souveränität nur rhetorisch hochhält, in der Praxis aber politisch untergräbt.
Autor: P. Tiko
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