Tag & Nacht


Mit der zweiten Amtszeit von Donald Trump kehrt eine außenpolitische Vision ins Weiße Haus zurück, die vielen in Europa vertraut – und zugleich unbequem – erscheint. Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der US-Regierung enthält unter dem Titel „Promoting European Greatness“ eine Fundamentalkritik an Europas Kurs: Masseneinwanderung mache den Kontinent „unkenntlich“, die politischen Eliten unterdrückten freie Meinungsäußerung und oppositionelle Bewegungen. Die USA, so heißt es, sollten patriotische Parteien unterstützen, die sich diesem Trend entgegenstellen.

Was zunächst wie ein ideologisches Geschenk an Europas Rechtspopulisten wirkt, stößt bei eben diesen auf verhaltene Reaktionen. Statt demonstrativer Zustimmung herrscht auffällige Zurückhaltung. Die Ursachen dafür liegen tiefer – im Spannungsfeld zwischen gemeinsamer Ideologie und nationalstaatlichem Eigeninteresse.


Ideologische Nähe, strategische Distanz

Auf den ersten Blick liegt eine Allianz nahe. Trump und Europas Rechte teilen eine Agenda, die sich gegen Migration, „woke“ Eliten und supranationale Institutionen richtet. Ob AfD, Rassemblement National oder Reform UK – viele dieser Parteien stilisieren sich als kulturelle Verteidiger eines bedrohten Westens und greifen ähnliche Narrative auf wie Trump.

Doch ideologische Nähe allein reicht nicht aus für eine belastbare Partnerschaft. Denn in Trumps außenpolitischer Weltanschauung – seinem „America First“ – ist wenig Platz für strategische Rücksicht auf europäische Partner. Die Erfahrung aus seiner ersten Amtszeit hat gezeigt: Für protektionistische Zölle, wirtschaftliche Alleingänge und geopolitische Machtdemonstrationen nimmt Trump auch die Schädigung von Interessen Gleichgesinnter in Kauf.

Das bekommen auch seine vermeintlichen Freunde zu spüren. Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, nannte Trumps Zollpolitik „extrem schlecht“ für Deutschland. Jordan Bardella, Parteichef des Rassemblement National und politischer Ziehsohn von Marine Le Pen, sprach gar von einem „wirtschaftlichen Krieg“, den die USA gegen Europa führten.


Nationale Egoismen im Widerspruch

Diese Kritik ist bemerkenswert – und sie verweist auf ein zentrales Dilemma der neuen Nationalisten: Der Slogan „Mein Land zuerst“ lässt sich schlecht international koordinieren. So formuliert es Mark Leonard, Direktor des European Council on Foreign Relations (ECFR): „Sie sind nicht für ‚America First‘, sondern für ‚Germany First‘, ‚France First‘, ‚Britain First‘. Da liegt ein inhärenter Widerspruch.“

Solange die Parteien gemeinsam gegen das politische Establishment aufbegehrten, konnten sie sich als Teil einer grenzüberschreitenden Protestbewegung inszenieren. Doch mit wachsender Macht – und einem US-Präsidenten, der sich offen zu ihnen bekennt – müssen sie sich nun mit konkreten politischen Konflikten auseinandersetzen. Das stellt ihre Glaubwürdigkeit auf die Probe.

Denn Trumps Politik ist nicht nur ein symbolischer Kulturkampf, sondern hat handfeste wirtschaftliche Folgen. Seine Zölle treffen insbesondere exportstarke EU-Länder wie Deutschland. Laut einer ECFR-Umfrage aus dem Frühjahr 2025 bewerteten nur 20 Prozent der AfD-Wähler Trumps Wiederwahl als „gut“ für Deutschland, 47 Prozent sahen sie als negativ. In Frankreich war die Ablehnung sogar noch deutlicher.


Souveränitätsrhetorik auf dem Prüfstand

Ein weiteres Spannungsfeld eröffnet sich in der Frage der Souveränität. Die Unterstützung „patriotischer Kräfte“ in Europa durch eine ausländische Macht mag aus amerikanischer Sicht ein außenpolitisches Instrument sein – aus europäischer Perspektive ist sie ein heikler Eingriff. Selbst viele rechte Parteien zögern, sich als Empfänger externer Einflussnahme zu präsentieren, zumal dies ihrer eigenen Rhetorik widerspricht.

In der öffentlichen Debatte schlagen sich diese Ambivalenzen zunehmend nieder. So forderte Bardella offen eine europäische Gegenreaktion auf Trumps Strafzölle. Weidel kritisierte die EU, weil sie sich dem US-Druck beugte. Dabei ist der Bruch mit Brüssel für beide zentrale Strategie – doch wenn die Alternative einseitige US-Diktate sind, wirkt selbst die ungeliebte EU auf einmal als Bollwerk nationaler Interessen.


Das Paradox der Nationalistischen Internationale

Das Konzept einer internationalen Achse nationalistischer Bewegungen stößt damit an systemische Grenzen. Was als Vision einer neuen Weltordnung erscheint – getragen von Souveränisten in Washington, Paris, Berlin oder Budapest – scheitert oft an der Realität geopolitischer Interessenkonflikte. Ein Europa, das „großartig“ sein soll, bedeutet aus Sicht nationalistischer Europäer vor allem: unabhängig von amerikanischer Dominanz.

Die nächsten Jahre könnten deshalb zu einem Testfall werden. Sollten rechte Parteien in weiteren europäischen Ländern Regierungsverantwortung übernehmen – etwa in Frankreich nach der Präsidentschaftswahl 2027 –, werden sie sich entscheiden müssen: Koalition mit Washington oder Konfrontation im Namen der eigenen Souveränität? Die ersten Signale deuten darauf hin, dass die neue Rechte durchaus bereit ist, sich gegen Trump zu stellen, wenn es um nationale Wirtschaftsinteressen geht.

Die Vorstellung, dass ein ideologischer Gleichklang automatisch politische Gefolgschaft bedeutet, erweist sich damit als Illusion. Die neue Rechte Europas ist nicht per se pro-amerikanisch – sie ist vor allem pro-sich selbst.


WEITERE TOP-MELDUNGEN

Australien führt Social-Media-Verbot für Minderjährige ein
Hunderttausende Social-Media-Konten von Jugendlichen und Kindern unter 16 Jahren sollen gemäß einem weitreichenden neuen Gesetz, das heute in Australien in Kraft getreten ist, deaktiviert werden.

Das Gesetz wird weltweit von Eltern, Forschern und Regierungsbehörden genau beobachtet. Einige Jugendliche wollen jedoch das Verbot mithilfe von VPNs umgehen. Viele hatten beim Anlegen ihrer Konten falsche Altersangaben gemacht, andere verwendeten die Daten ihrer Eltern oder nutzen die Identität älterer Geschwister. Zwei 15-Jährige klagen aktuell vor Gericht gegen das Verbot.


WEITERE NACHRICHTEN

  • María Corina Machado, faktische Oppositionsführerin Venezuelas, soll heute offiziell in Oslo den Friedensnobelpreis entgegennehmen.
  • Die Trump-Regierung erlaubt Nvidia den Verkauf seines zweitstärksten Chips an China.
  • Nach mehreren tödlichen militärischen Zwischenfällen befinden sich Afghanistan und Pakistan nun in einem Handelskrieg.
  • Litauen hat nach dem Abfangen verdächtiger Ballons aus dem Nachbarland Belarus den nationalen Notstand ausgerufen.
  • Frankreichs First Lady Brigitte Macron wurde in einem Video dabei gefilmt, wie sie feministische Demonstrantinnen mit einer beleidigenden Bemerkung kritisierte.
  • Honduras hat einen internationalen Haftbefehl gegen den früheren Präsidenten Juan Orlando Hernández erlassen, der kürzlich von Donald Trump begnadigt wurde.
  • Die autistische und lernbehinderte Künstlerin Nnena Kalu gewann den renommierten Turner Prize für ihre leuchtend bunten, kokonartigen Skulpturen.
  • Iain Douglas-Hamilton, ein Elefantenexperte und einer der ersten Forscher, der das komplexe Sozialverhalten der Tiere in freier Wildbahn dokumentierte, ist im Alter von 83 Jahren verstorben.

Autor: P. Tiko

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