Tag & Nacht

Die Konfrontation zwischen den beiden Rivalen des zweiten Wahlgangs war zwar weniger angespannt als 2017, führte aber dennoch zu heftigen Wortgefechten über Russland, das Kopftuchverbot oder das Klima.

Es war die einzige TV-Debatte zwischen den beiden Widersachern. Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron und die Kandidatin des Rassemblement National Marine Le Pen sassen sich am Mittwoch, 20. April, vier Tage vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen fast drei Stunden lang auf den Fernsehsendern France 2 und TF1 gegenüber.

Vor fünf Jahren bereits gab es das gleiche TV-Duell: Die Debatte war auch damals sehr hitzig und Marine Le Pens Auftritt sehr unsicher – sie selbst sprach später von einem Misserfolg. Die Konfrontation war dieses Mal zwar formal höflicher, aber die beiden Kandidaten legten in teilweise scharfen Worten deutliche Unterschiede dar. Hier die wichtigsten Punkte:

Es war klar, dass sie Gelassenheit zeigen wollte, er war vor dem Risiko gewarnt, arrogant zu wirken. Die Lektion der hitzigen Debatte von 2017 haben beide Kandidaten offensichtlich gelernt, und der Austausch zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen ist, zumindest an der Oberfläche, friedlicher geworden. Bei einigen Themen waren die Gegensätze jedoch deutlich und die Debatte war geprägt von vielen Unterbrechungen auf beiden Seiten. „Geben Sie mir keine Lektion“, antwortete Marine Le Pen, als Macron sie gerade unterbrochen hatte und sie in der Debatte über die Staatsschulden aufforderte, „aufzuhören, alles durcheinander zu bringen“.

Wie erwartet, hielt sich Marine Le Pen mit ihren Angriffen stärker zurück als bei dem TV-Duell vor fünf Jahren. Allerdings zeigte sie sich in ihren Antworten zu Beginn eher zögerlich: Die „Ähs“, die ihre ersten Antworten interpunktierten, verschwanden allerdings im Laufe des Abends.

Es kam schnell zu einem ersten Zusammenstoß zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen, als es um die Kaufkraft ging. Die Kandidatin des RN verteidigte ihren Vorschlag, Unternehmen von Arbeitgeberbeiträgen zu befreien, um sie dazu zu bewegen, manche Löhne und Gehälter um 10% zu erhöhen. „Aber Sie erhöhen die Einkommen nicht, weil Sie die Löhne nicht verwalten“, unterbrach Emmanuel Macron sie daraufhin. „Aber Sie verwalten auch keine Prämien“, antwortete seine Rivalin und bezog sich damit auf ein Versprechen des scheidenden Präsidenten, wonach Unternehmen Prämien von bis zu 6.000 Euro pro Jahr beitragsfrei auszahlen können.

Es kam zu einem lebhaften Austausch über die Blockade der Treibstoffpreise, die von der Regierung als Reaktion auf die Inflation beschlossen wurde. „Sie haben gegen diesen Energiepreisstopp gestimmt“, warf Emmanuel Macron Marine Le Pen mehrfach vor. Ihm gegenüber plädierte die Kandidatin weiterhin für Steuersenkungen, sprach sich aber dafür aus, auch die derzeit geltende Maßnahme beizubehalten.

„Sie sind von Russland abhängig!“
Gleich in seiner ersten Wortmeldung zur Invasion in der Ukraine griff Emmanuel Macron seine Gegnerin frontal an, die gerade seine „Bemühungen (…), im Namen Frankreichs den Weg zum Frieden zu finden“, gelobt hatte. „Sie sind von Russland abhängig, und Sie hängen von Herrn Putin ab“, warf Macron marine Le Pen vor, und kam auf den Kredit zu sprechen, den das Rassemblement National 2014 bei einer russischen Bank aufgenommen hatte, die als kremlnah gilt. „Sie sprechen nicht mit einem anderen Staatsoberhaupt, Sie sprechen mit Ihrem Bankier, wenn Sie mit Russland sprechen. Deshalb sind, sobald es schwierige und mutige Positionen einzunehmen gilt, weder Sie noch Ihre Vertreter dazu in der Lage.“

„Keine französische Bank wollte mir einen Kredit gewähren“, verteidigt sich Marine Le Pen und gibt zu, dass der Kredit noch nicht zurückgezahlt ist. „Es ist langwierig, den Kredit zurückzuzahlen, wir zahlen jeden Monat zurück“, sagt die Kandidatin des RN. „Wir sind eine arme Partei (…), aber ich habe das nie als unehrenhaft angesehen.“

Zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die Covid-19-Krise
Die Pandemie und ihre Folgen standen eigentlich nicht auf dem Programm der Debatte, kamen aber natürlich auch auf den Tisch. „Sie sind der Präsident, der in fünf Jahren 600 Milliarden Euro zusätzliche Schulden verursacht hat, von denen zwei Drittel nichts mit Covid zu tun haben“, warf Marine Le Pen Emmanuel Macron vor. „Völlig falsch“, erwiderte Macron und erklärte, dass 400 dieser Milliarden den Gebietskörperschaften oder der Sozialversicherung zu Gute kamen.

„Sie haben dagegen gestimmt. Was haben Sie getan? (…) Sollen die Restaurantbesitzer, die Handwerker, kommen und Ihnen sagen, wer ihnen während der Covid-Krise geholfen hat? Das war die Regierung!“, wehrt sich Macron. Darauf warf ihm Le Pen „die administrativen Schließungen“ vor, die ihrer Meinung nach nach dem ersten Lockdown hätten aufhören müssen.

„Klimaskeptiker“ gegen „Klimahypokritiker“
Auch beim Thema Ökologie, das vor dem ersten Wahlgang kaum angesprochen, seitdem aber von Emmanuel Macron in den Vordergrund gerückt wurde, wurden frontale Gegensätze deutlich. „Wir haben hier eine klare Kontroverse. Sie sind Klimaskeptikerin“, warf der scheidende Präsident Marine Le Pen an den Kopf, nachdem er ihre „Inkohärenz“ kritisierte: „Ihr Programm hat weder Schwanz noch Kopf.“

„Ich bin nicht klimaskeptisch, auf keinen Fall, aber Sie sind ein bisschen klimahypokritisch, scheinheilig“, erwiderte Le Pen. Sie ist der Meinung, dass Emmanuel Macron eine „strafende Ökologie“ in ihrer schlimmsten Form repräsentiere.

In Bezug auf Windkraftanlagen beschuldigte Marine Le Pen Emmanuel Macron, er wolle „überall Windkraftanlagen aufstellen, an allen Küsten, nur nicht vor Le Touquet“, einem Badeort im Pas-de-Calais, wo der Staatschef einen Zweitwohnsitz hat. „Das ist Verschwörungstheorie“, reagierte Macron. „Nein, das ist Zufall …“, meinte seine Gegnerin ironisch. Ein Offshore-Windkraftprojekt vor Le Touquet war 2017, kurz nach dem Amtsantritt von Emmanuel Macron, nach einer negativen Stellungnahme der zuständigen Präfektur ausgesetzt worden, meldete damals eine Reportage von France 3, von der auf Marine Le Pens Twitter-Account mitten in der Debatte ein Screenshot gepostet wurde.

Ein Kopftuchverbot könnte einen „Bürgerkrieg“ hervorrufen, befürchtet Emmanuel Macron
Das von Marine Le Pen vorgeschlagene Verbot der Verschleierung im öffentlichen Raum war in den Tagen vor der TV-Debatte eines der am meisten diskutierten Themen. Sie bekräftigte dieses Vorhaben und bezeichnete den Schleier, das Kopftuch, als „eine von Islamisten aufgezwungene Uniform“.

Emmanuel Macron wiederum kritisierte das als ein Gesetzesprojekt, das seiner Meinung nach gegen den Laizismus und die französische Verfassung verstößt, und vertrat die Ansicht, dass ein solches Gesetz die Gesellschaft spalten könne: „Sie werden einen Bürgerkrieg verursachen, wenn Sie das tun.“ „Das ist schlimm, denn was Sie sagen, ist, dass die Leute sich weigern würden, das Gesetz zu befolgen“, erwiderte die Kandidatin des RN.

Und wer hat in den Augen der Wähler die bessere Figur gemacht? Nach ersten Umfragen nach der TV-Debatte haben die Wähler Emmanuel Macron als Sieger der Diskussion empfungen und ihm einen weiteren Vorsprung in den Wahlabsichten bescheinigt. Der scheidende Präsident liegt nun bei etwa 59% der Wahlabsichten für den zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag.


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