Tag & Nacht




„Wer wird als Nächster geköpft?“ – Diese Frage macht in den USA derzeit die Runde. Und sie ist nicht metaphorisch gemeint. Seit der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus und der Berufung von Elon Musk zum Chef des neuen Doge (Department of Government Efficiency) regnet es Entlassungen – und das im Akkord.

Zehntausende Bundesbedienstete verloren binnen Wochen ihren Job. Eine politische Machtdemonstration? Vielleicht. Aber jetzt zeigt sich: Die Schockwellen dieser Kürzungswut erreichen langsam den Alltag – und den Geldbeutel der Menschen.

Atlanta, 9 Uhr morgens – Leere statt Latte

Ein Frühstücksrestaurant in Atlanta. Früher war hier zu dieser Uhrzeit kaum ein Platz zu finden. Heute? Gähnende Leere. Der Besitzer Percy Williams kennt seine Kundschaft – oder besser gesagt: kannte. „Viele unserer Stammkunden arbeiten beim Staat. Die sieht man jetzt kaum noch. Die meisten haben ihren Job verloren, andere kommen nur noch unregelmäßig.“

Was wie ein lokales Phänomen wirkt, ist in Wahrheit ein landesweites Signal: Die Kürzungen in Washington treffen das soziale Netz – und in der Folge auch die Binnenwirtschaft. Denn wenn tausende Menschen über Nacht ihre Jobs verlieren, bleibt nicht nur der Lohn aus – auch den Kaffeetasse, den Einkauf, den Kinobesuch kann sich keiner mehr leisten.

Sparen mit der Kettensäge

Elon Musk, Visionär, Unternehmer – und nun staatlicher Effizienz-Guru, führt seine Mission mit unnachgiebiger Konsequenz. Das Bild der Kettensäge, mit der er durch die Bürokratie schneidet, ist inzwischen fast sprichwörtlich. Doch was auf dem Papier wie eine Einsparung aussieht, bedeutet für Millionen Menschen Unsicherheit und Angst.

Die Bundesverwaltung der USA beschäftigt rund 3,5 Millionen Menschen – eine Zahl, die seit Jahrzehnten nahezu konstant geblieben ist, obwohl die Bevölkerung seit den 1980ern um etwa 40 % gewachsen ist.

Wen trifft’s zuerst? Die Ärmsten.

Der Sparkurs zielt besonders auf Programme mit sozialem Charakter. Die staatlichen Lebensmittelmarken – auf die rund 75 Millionen Amerikaner angewiesen sind – wurden gekürzt. Medicaid, das Gesundheitsprogramm für Bedürftige, steht auf der Kippe. Und sogar Medicare, die medizinische Absicherung für Senioren, könnte bald betroffen sein.

John McIntyre, Wirtschaftsexperte an der renommierten GeorgiaTech, bringt es auf den Punkt: „Wenn die Regierung sich zurückzieht, fragt sich jeder: Wer ist der Nächste, der seinen Kopf aufs Schafott legen muss?“

Es trifft nicht „die anderen“ – es trifft alle

Was viele nicht sehen: Der Dominoeffekt solcher Einschnitte zieht weite Kreise. Percy Williams erzählt, dass seine Lieferanten bereits über weniger Bestellungen klagen, weil Restaurants wie seines sparsamer werden. Seine Aushilfskräfte bekommen weniger Schichten. Der lokale Bäcker hat die Preise erhöht, weil auch seine Kundschaft schrumpft.

Und dann ist da noch ein weiteres Problem: Die Zölle. Trump will – ganz im Sinne seines „America First“-Mantras – Importe verteuern. Doch höhere Preise für Waren aus dem Ausland bedeuten am Ende: Das tägliche Leben wird teurer. Und das gerade für die, die ohnehin schon jeden Cent umdrehen müssen.

Was bleibt vom sozialen Vertrag?

Die Trump-Regierung verfolgt ein klares Ziel: Bürokratie abbauen, Staat verkleinern. Das mag aus konservativer Sicht nachvollziehbar sein – doch die Geschwindigkeit und das Ausmaß sorgen für Chaos und Angst.

Denn wenn innerhalb weniger Wochen tausende Menschen ihren Job verlieren, wenn Hilfsprogramme für Millionen infrage gestellt werden und wenn kleine Unternehmen plötzlich auf Kundschaft verzichten müssen – dann ist das mehr als ein Sparprogramm. Es ist ein gesellschaftlicher Aderlass.

„Wer ist als Nächster dran?“ – eine neue soziale Realität

Die Frage, die derzeit in vielen Haushalten der USA gestellt wird, ist keine hypothetische mehr. Sie beschreibt ein Lebensgefühl. Eine Unsicherheit. Einen Vertrauensverlust.

Während sich an der Spitze das Bild eines starken, schlanken Staates gezeichnet wird, fragt man sich unten in der Gesellschaft: Was ist mit unserer Sicherheit? Unserem Alltag? Unserem Morgen?

Denn wenn sogar der Frühstücksladen um die Ecke nicht mehr weiß, ob er nächste Woche noch öffnen kann – dann ist das kein Randproblem. Dann ist es Zeit, über die wahren Kosten der Effizienz zu sprechen.

Von Catherine H.

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!